GOTTESDIENST IN DER DIETRICH-BONHOEFFER-GEMEINDEAM SONNTAG, DEN 10. OKTOBER 1999 (19.S.N.TRINITATIS)
- MITWIRKUNG DER VAIHINGER JUGENDKANTOREI-

10.10.1999


Vorspiel der Orgel
Begrüßung

EL EG 455,1-3: Morgenlicht leuchtet

... Schön ist es, daß sie als unsere Gäste heute dazu beitragen,diesen Gottesdienst zu einem besonderen zu machen. Vieles,was wir sonst selber aussprechen und singen, erklingt heuteaus den Liedern und den musikalischen Beiträgen der Kanto-rei. Und auch in der Liturgie wird heute manches anders seinals sie es sonst vielleicht gewohnt sind. So kann Gottes guteNachricht für uns noch einmal in ganz neuer und ganz anderer,ungehörter, ja unerhörter Weise unter uns Raum gewinnen.

L:      Im Namen des Vaters...
G:      Amen.
L:      Der Herr sei mit euch!
G:      Und mit deinem Geist.

Nach Psalm 150 (U.S.)

Lobt Gott mit euren Festen,
lobt ihn mit euren mächtigen Taten.
Lobt Gott mit der Kraft eurer Hände,
lobt ihn mit der Schärfe eurer Gedanken.
Lobt Gott mit euren Fragen,
lobt Gott mit euren Fehlern.
Lobt Gott mit der Weichheit eurer Lippen,
lobt ihn mit dem Lächeln eines Augenblicks.
Lobt Gott mit eurer Offenheit,
lobt Gott mit eurer Gastfreundschaft.
Lobt Gott mit den Worten fremder Völker,
lobt Gott mit den Klängen ferner Länder.
Lobt Gott mit eurem Schweigen,
lobt Gott mit allen Stimmen, mit eurem Atem.
Lobt Gott mit euren Körpern.
Alt und jung lobet den Herrn.

G:      Ehre sei Gott auf der Erde (EG 628 Kehrvers)

Eingangsgebet

Manchmal, guter Gott, manchmal können wir den Fragen nichtmehr ausweichen, die in uns hochsteigen. Da wird uns unserLeben zu einem Rätsel. Ungeklärtes und Unglaubliches steigtin uns hoch, raubt uns die Ruhe der Nacht und die Gelassenheitdes Tages. Warum muß das sein: Krankheit und verblassendeLiebe, das blanke Entsetzen des Hasses in Streit und Krieg?Der Tod, der noch nie irgendwelche Rücksicht genommen hat?

Kantorei: Menschen haben viele Fragen

Manchmal, guter Gott, manchmal ist es aus mit dem aufrechtenGang. Da spüren wir selber, daß wir noch lange nicht so sind,wie wir von den anderen gerne gesehen werden wollen. Dagibt es keine schützende Mauer mehr, die den offenen Blickauf uns verbirgt. Da spüren wir, daß Schuld kein Wort ist auseiner fernen, längst überwundenen Vergangenheit. Irgendwannholt uns die Wirklichkeit endgültig ein.

Kantorei:      Menschen spüren ihr Versagen

Manchmal, guter Gott, rinnt uns die Wahrheit durch die Fin-ger. Nichts bleibt mehr von der Sicherheit des gestrigen Tages.Alles, was ich mir vorgenommen hatte, scheint plötzlich ohneSinn und Perspektive. Kein fester Boden mehr unter den Fü-ßen, nichts, woran ich mich festhalten, nichts, was mir Orine-tierung geben kann. Und dann, guter Gott, wirst du uns plötz-lich selber zu Frage.

Kantorei:      Menschen zweifeln und versagen

Manchmal, guter Gott, durchströmt uns die Gewißheit einesneuen Morgens. Da feiern wir deine Gegenwart. Da wird unse-re Freude ansteckend. Dann, wenn wir zu dir rufen und daslösende Wort von außen in unser Herz dringt und uns verwan-delt.

Kantorei: Wenn wir dich rufen

Grund genug haben wir zum dankbaren feiern an diesem Mor-gen. Denn das läßt Gott uns wissen und uns zurufen: Wenn ihrmich von ganzem Herzen suchen werdet, will ich mich voneuch finden lassen. Dann wird unser Mund voll Lachens undunsere Zunge voller Worte sein, die Gottes Guttaten weiterer-zählen. Dann wird das sein, wenn Gerechtigkeit und Friedensich küssen.

Kantorei:      Friede auf Erden

Friede auf Erden. Davon hat der Chor eben gesungen. Friedenauf Erden. Das verheißen die Engel schon zur Geburt des Kin-des im Stall von Bethlehem. Frieden auf Erden und den An-bruch des Reiches Gottes – das ist die Botschaft jenes gutenMenschen aus Nazareth, aus dessen Angesicht uns die Men-schenfreundlichkeit Gottes entgegenleuchtet. Blinde sehen,Lahme gehen. Kranke werden gesund.

Der Predigttext dieses Sonntages nimmt genau dieses Themaauf. Wir hören aus Markus 1 zunächst die Verse 32-34:

Lesung: Markus 1,32-34

Jeder neue Tag ist ein Zeichen, daß Gott seine Welt nicht ausder Hand gibt. Zwischen Morgen und Abend, zwischen Abendund Morgen liegt die Zeit, die uns geschenkt ist, um GottesNähe zu erfahren und zu feiern. Jeder Tag nimmt seinen Ur-sprung bei Gott, um am Ende auch wieder bei Gott an sein Zielzu kommen. Davon handelt auch das Lied, dessen erste beidenStrophen wir jetzt miteinander singen wollen:

EG 675,1+2: Diesen Tag, Herr

„Am Abend aber, als die Sonne untergegangen war...“ Mitdieser Zeitangabe beginnen jene Verse, die wir vorhin gehörthaben und über die wir miteinander nachdenken wollen.

Am Abend – das ist eine ungewöhnliche Zeitangabe für dieEreignisse, die berichtet werden. Eine ganze Stadt auf den Bei-nen. Alle Kranken und Besessenen bringt man herbei. Und dieunausgesprochene Erwartung, daß nach dieser Nacht viele Le-bensgeschichten neu und mit besserem Ausgang geschriebenwerden können. Eine ganze Stadt - so bin ich fast geneigt zusagen - auf der Suche nach dem ultimativen Kick.

Und wenn wir dem Bericht Glauben schenken, werden die Er-wartungen auch nicht enttäuscht. Ein Abend ist das, unvergeß-lich für alle, die mit dabei waren. Ein Abend - uns in Erinne-rung gehalten bis zu diesem heutigen Morgen – 2000 Jahre da-nach.
Der Abend und die Nacht stehen bei uns in keinem so hohenKurs. Die Dunkelheit, das ist die Zeit derer, die das Licht desTages scheuen. Die Zeit dunkler Geschäfte und finsterer Ma-chenschaften. Der Beginn der Hoffnung, am nächsten Tag mö-ge sich alles zum Besseren hin wenden.

Der Abend, das ist zugleich aber auch die Zeit der Vergnügun-gen und der Zerstreuung. Zeit für Einladungen und Feste, anderen Ende dann die Frage steht, was er denn gebracht habe,dieser bald zu Ende gehende oder schon zu Ende gegangeneTag.

„Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben“, sagt dasSprichwort nicht ohne Grund. Erst wenn man auch den Abendhinter sich gebracht hat, ist unveränderlich, was wir Gott zu-rückgeben. „Diesen Tag, Herr, leg‘ ich zurück in deine Hände,denn du gabst ihn mir.“ So lautet ja nicht ohne Grund das Liedvon Martin Gotthard Schneider, von dem wir vorhin nicht ohneGrund schon zwei Strophen gesungen haben. Ein Abendlied,das man dennoch zu jeder Stunde des Tages miteinander sin-gen kann. Jeder Moment bietet die Möglichkeit, den Tag inGottes Hände zu legen. Dafür ist es nie zu früh, höchstens ir-gendwann einmal zu spät.

Uns mag es verwundern, warum die Menschen bis zum Abendwarten, ehe sie sich mit ihren ausgesprochenen und unausge-sprochenen Wünschen an Jesus wenden. Es ist nicht nur dieHitze eines orientalischen Tages, die zum Warten rät. Die imText berichteten Ereignisse spielen an Schabat, am Sabbat, wiees in der Lutherbibel heißt. Am Sabbat darf man keine Kran-ken tragen. Am Sabbat darf man eigentlich auch nicht heilen.Kein Wunder, daß man bis zum Abend wartet.
Anders als bei uns erwarten die Menschen damals gerade vomAbend die Wende zum Guten. Der jüdische Tag beginnt bisheute am Abend. Dann, wenn man mit bloßem Auge drei Ster-ne am Himmel erkennen kann. Mit dem Bericht von derSchöpfung hängt diese Sicht zusammen, dem Bericht, denPriester ein halbes Jahrtausend vor Christi Geburt in Babylonformuliert haben. Am Ende jedes Schöpfungstages lesen wirda: „Da ward aus Abend und Morgen der erste, der zweite, derdritte Tag und so weiter.“ Diese Erfahrung haben die Men-schen gemacht, denen Jesus eine neue Lebensperspektive er-öffnet hat: Menschen befreit von der Besessenheit. Menschen,die wieder sehen und gehen, Menschen, die das Leben vonneuem gewonnen haben. Aus diesem Abend und allen nach-folgenden Morgen wurde für sie tatsächlich ein neuer, allesvon Grund auf verändernder Tag.

Doch bevor wir den zweiten Teil des Predigttextes hören,wollen wir die beiden anderen Strophen des angefangenenLiedes miteinander singen:

EG 675,3+4: Diesen Tag, Herr

Lesung: Markus 1, 35-39

„Und am Morgen, noch vor dem Tag...“ – so beginnt derzweite Teil des heutigen Predigttextes. Früh am Morgen, wenndie Unruhe des Tages über uns hereinbricht – früh am Morgen,da beginnt für Jesus die Zeit der Ruhe. Der Rückzug aus allernoch so sehr den Menschen zugute kommender Geschäftigkeit.

Früh am Morgen geht Jesus an eine einsame Stelle und betet.Nach dem öffentlichen Auftritt am Abend zuvor nun dasZwiegespräch mit dem, der durch ihn wirkt. Alles Suchen nachihm, alle Forderungen der anderen an ihn finden hier ihreGrenze. „Jedermann sucht dich!“ Darauf machen die Jüngerihn aufmerksam. Wie könnte Jesus eine solche Chance auslas-sen!

Kundenorientiertes Arbeiten nennt man das heute. Jede Gele-genheit, jede Nachfrage ausnützen. „Jedermann sucht dich!“Wie oft würde es ein solches Bad in der Menge für Jesus nochgeben? Der Wundertäter des Vorabends könnte jetzt davonser-ven auf der Woge des Erfolgs und der Anerkennung. Betenkönnte er doch eigentlich auch noch später.

Doch Jesus hat seinen eigenen Rhythmus immer durchgehal-ten. Die Gemeinschaft mit den Menschen und der zeitweiseAusstieg – sein Rückzug - in die Einsamkeit. Beide bedingeneinander wie Einatmen und Ausatmen; wie Arbeit und Muße;wie Werktag und Sonntag. Die selbsternannten Gralshüter der24-Stunden-Öffnungszeiten an sieben Wochentagen haben denSchutz der Verbraucher und die Optimierung ihrer Möglich-keiten nicht im Sinn, wie sehr sie dies auch vorgeben. Sie tunsich nicht einmal sich selber etwas Gutes.

Ohne den Wechsel von Arbeit und Erholung, von Kampf undKontemplation wie Roger Schutz, der Prior von Taizé daseinmal genannt, bleibt der Mensch auf der Strecke, auch wenndie materielle Gewinnbilanz etwas anderes aussagt. „Der Lärmverbraucht. Die Stille ernährt.“, wie ein anderes Sprichwortsagt.

Auch unsere Seelen brauchen Nahrung. Wenn wir sie nichtmehr richtig oder womöglich gar nicht mehr ernähren, werdenwir krank. In unserer Welt stellt sich das Verhältnis zwischendem aktiven Einsatz und dem ernährenden Rückzug längstnicht mehr von alleine ein. Heil und Heilung sind auseinander-gefallen.

Gegen alle Widerstände müssen diese beiden Seiten unsererLebensmedaille neu in ihrer Zusammengehörigkeit entdecktwerden. Gegen die Anforderungen anderer. Gegen den Er-folgsdruck. Gegen den Terminkalender. Gegen die eingespiel-ten Rhythmen unserer Lebenswirklichkeiten. Nur so wird ausAbend und Morgen auch bei uns ein neuer Tag, der alle Mühenlohnt. Ein Festtag des Lebens mitten im Einerlei einander ablö-sender grauer Tage.

Früh am Morgen sucht Jesus die Stille. Der Morgen wird sozur Quelle neuen Lebens. Jeder Morgen könnte so auch zu ei-ner kleinen Feier der Auferstehung werden. Und jeder Sonntagein kleines Osterfest. „Manchmal stehen wir zur Auferstehungauf – mitten am Tag“ heißt es in einem Gedicht von MarieLuise Kaschnitz. Früh am Morgen können wir abschließen undneu anfangen. Mitten am Tag sogar könnte uns das Licht desNeuen aufleuchten.

Auch Jesus macht sich auf einen neuen Weg. „Laßt uns an-derswo hingehen“, sagt er im Predigttext. Und ich möchte hin-zufügen: Laßt uns leben gegen den Rhythmus einer einschlä-fernden Vertrautheit. Laßt uns querdenken und unser Lebengegen den Strich der vielen Routinen bürsten. Laßt uns glau-ben, daß wir in die Zukunft umkehren können, damit unser Le-ben zum Fest wird. Endlich! Amen.

Das Leben feiern heißt seinen Glauben an den Gott der Hof-fung feiern. Ein kleines Glaubensbekenntnis hören wir jetztwieder gesungen:

Kantorei: Credo

Abendmahl

Auch dieser heutige Morgen ist Grund genug, Gott zu lobenund das Fest des Lebens zu feiern. Darum lädt Gott uns an sei-nen Tisch. Darum stärkt Gott unseren Glauben daran, daß wirmeist weit hinter unseren Möglichkeiten zurückbleiben. Wirwollen Gottes Einladung an uns jetzt singend aufnehmen undweitergeben weitergeben mit dem Lied:

AL EG 229,1-3: Kommt mit Gaben und Lobgesang

Es ist wahrhaftig recht und angemessen, mit Dir, lebendig ma-chender und alles verändernder Gott, zu rechnen in unseremLeben. Gut ist es, daß wir die Wege unseres Lebens nicht al-leine gehen müssen; daß wir uns eingebunden wissen in dasgroße Netz alles Lebendigen. Du, Gott, bist selber die Kraft,die gesund macht; die Kraft, aus der und mit der wir lebenkönnen. Gemeinsam mit deiner ganzen Schöpfung und mit al-lem, was lebt und webt, erheben wir unsere Stimmen undstimmen ein in das niemals endende Lob deiner Geschöpfe,indem wir vom Lied „Großer Gott, wir loben dich“ die erstenbeiden Strophen singen:

EG 331,1+2: Großer Gott, wir loben dich

Einsetzung
Bevor Jesus gefangen und verraten wurde, saß er mit seinenFreunden zusammen. Sie feierten das Passahfest, das Fest derBefreiung ihres Volkes. Sie fühlten sich unsicher und alleinegelassen. Sie hatten Angst vor dem, was ihnen die Zukunftbringen würde.
Da nahm Jesus das Brot, dankte, zerbrach es und gab es seinenFreunden weiter und sprach: Wie dieses Brot bin ich für euch..Es wird zerbrochen. Doch aus dem Ende wird ein neuer An-fang. Denkt daran, jedes Mal, wenn ihr das Brot miteinanderteilt. Denkt an mich, Ihr seid mein Leib!

Dann nahm er auch den Kelch dankte dafür, reichte ihn seinenFreunden und sprach: Trinkt alle davon. Damit setzt ihr einZeichen für den neuen Bund, für den ich mein Leben lasse.Vergebung und Liebe – beides ist euch möglich. Denkt daran,jedes Mal, wenn ihr die Frucht des Weinstocks miteinandergenießt. Laßt euren Alltag zum Fest werden.

Und wie Jesus mit seinen Freunden gebetet hat, wollen auchwir jetzt miteinander beten:

Vater unser

Kantorei: Gottes Traum

Einladung - Austeilung

Kantorei: Am Ende die Rechnung

Dankgebet

Du hast uns eingeladen, Gott,
und wir sind deiner Einladung gefolgt.
Menschen haben wir gesehen, die uns guttun.
Worte haben wir gehört, die uns weiterhelfen.
Lieder haben wir gehört uns gesungen, die zu Herzen gehen.
Von deinen Früchten haben wir gegessen und getrunken
Und uns stärken lassen.
Mit mehr als genug hast du, Gott, uns beschenkt.
Dafür danken wir dir und teilen,
damit auch andere davon leben können.
Amen.

SL EG 395,2+3: Vertraut den neuen Wegen

Abkündigungen / Dank

Segen

L:      Der Herr segne euch...
G:      Amen.

Zum Abschluß
Kantorei: Dona nobis pacem

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.