Ansprache anlässlich der Verabschiedung von
Helmut und Annegret Zeilinger in den Ruhestand
Am Sonntag, den 7. Mai 2000 in der Auferstehungsgemeinde in Freiburg-Littenweiler

07.05.2000


Lieber Helmut - und ich möchte gleich hinzufügen -
liebe Annegret,

zwischen Predigt und Abendmahl jetzt Eure Verabschiedung! Das ist ein guter Ort. Mitten drin im Gottesdienst. Mitten drin in der Gemeinde. Mitten drin in der Lebendigkeit des gemeinsamen Feierns. Abschied mitten drin. Das ist ein guter Ort. Und für euch der einzig angemessene obendrein.

In der Badischen Zeitung stand gestern zu lesen: Zeilingers verabschieden sich von der Auferstehungsgemeinde. Der offiziellen Einladung für heute Morgen war zu entnehmen, dass sich die Auferstehungsgemeinde von euch verabschieden will.

Zwei weitere Arten des Abschieds kommen noch hinzu. Zum einen reihe ich mich ganz persönlich ein in die lange Reihe von Menschen, denen es ein Bedürfnis ist, euch Danke zu sagen und sich ganz persönlich von euch zu verabschieden. Zum anderen soll ich Dich, lieber Helmut - aber eigentlich euch beide zusammen - seitens der Landeskirche und im Auftrag des Landesbischofs in den Ruhestand verabschieden - ausdrücklich verbunden mit Worten des Dankes, dass das vorzeitige Auscheiden aus dem aktiven Pfarrdienst mithilft, jungen Kolleginnen und Kollegen einen Arbeitsplatz in dieser Kirche zu sichern.

Du Helmut im Ruhestand. Das kann ich eigentlich so wirklich noch gar nicht glauben: Rein rechtlich bist du schon eine ganze Woche im Ruhestand. Wenn ich euch beide aber so vor mir sehe, denke ich, Ruhestand ist kein Wort, das man auf Anhieb mit euch in Verbindung bringen kann. Eher doch das Gegenteil. Aktivtät und Vitalität. Ideenreichtum und Engagement.

Nun ist das Wort "Ruhestand" allerdings ein verschleiernder, reduzierender Begriff. Er sagt etwa aus über dein dienstliches Verhältnis zur Landeskirche. Du bist und bleibst Pfarrer. Jetzt allerdings eben nicht mehr Pfarrer dieser Auferstehungsgemeinde, sondern eben Pfarrer i.R. Pfarrer: in Rufweite. Oder im Reaktivierbarkeitsstatus. Oder immer realitätsnah. Und ganz sicherlich auch aus unserer Sicht: i.R. - in Respekt vor euch und dem, was ihr bewirkt habt.

Ruhestand - gewöhnungsbedrüftig ist diese Vorstellung schon noch. Für euch beide. Für mich. Und für viele, die heute hier auch eures Abschieds wegen hierher gekommen sind. Auf der anderen Seite. Diese Lebensphase steht euch beiden zu. Sie steht euch nachhaltig zu. Ihr habt sie euch redlich verdient. Und es ist euch von Herzen zu wünschen, dass ihr diese Lebensphase noch einmal sehr intensiv als eine eigene und ganz wichtige Etappe eures Weges erleben und gestalten könnten.

Berufliche Stationen gab es mehr als genug. Vier Einsatzstellen im Pfarrvikartiat: Karlsruhe, Freiburg - auch damals schon - , Donaueschingen und Dertingen. Als Du, lieber Helmut, 1968 aus dem Probedienst entlassen wurdest, war ich gerade ein Jahr aus der Grundschule entlassen. Weitere Stationen wären da noch zu nennen: Die Zeit in den USA, die sicher einiges zu eurer Offenheit beigetragen hat. Die Zeit als Studentenpfarrer - heute heißt es Studierendenpfarrer - in Göttingen. Und dann eben die beiden badischen Pfarrstationen in Wertheim und ab 1977 für 23 Jahre hier in der Auferstehungspfarrei.

Vieles, was so viele an dir und an euch schätzen gelernt haben, war eine tragende Konstante in eurem Leben. So etwa - und ich nenne das nicht ohne Grund am Anfang: die theologische Leidenschaft. So ist etwa im Bescheid zur Entlassung aus dem Probedienst über edn Pfarrvikar Zeilinger zu lesen - und jetzt zitiere ich hoffentlich mit deiner Zustimmung aus deiner Personalakte: "Es darf gesagt werden, dass Ihre Verkündigung sich über das Maß des Üblichen und Durchschnittlichen erhebt. Sie haben ihre Texte sorgsam ausgearbeitet und sind stets in der Nähe zum Menschen geblieben." Über deine Jahresarbeit über die Zeitgebundenheit von Bekenntnissen steht zu lesen: "Sie entzieht sich der Beurteilung im üblichen Sinn, weil sie die übliche Leistung von Jahresarbeiten bei weitem überschreitet."

Ich zitiere das nicht ohne Grund. Über das, was ihre hier in der Auferstehungsgemeinde geleistet habt, werden wir heute sicherlich noch manches hören. Aber all dies war gut vorbereitet und theologisch fundiert seit den Anfängen eurer theologischen Existenz und noch vorher. In einem weiteren Dokument wird darum nicht ohne Grund im Blick auf dich, Helmut, angefügt. "Er wird sicher seinen Weg machen." Und genau das ist es, was nicht nur ich heute über euch und zu euch sagen möchte: Ihr habt euren Weg gemacht!

Auch immer wieder auch im Widerstand und gegen den Strom. Was haben manche da auch immer wieder zu mäkeln gehabt. Über das meiste kann man heute allenfalls schmunzeln: Dass du, Helmut, neben der Lutherbibel andere biblische Texte verwendest. Dass du deine Gebete selber formulierst und nicht die so wohl vorformulierten aus der Agende. Aber dann vor allem die immer wieder in Frage gestellten politischen Konsequenzen aus eurem Verständnis des Evangeliums. Gerade hier seid ihr euch bis heute treu geblieben.

Ich weiß nicht, ob du dich an das alles überhaupt noch im Detail erinnerst. Ich möchte aber den Einblick in meine Querlektüre in die Wegmarken deines Pfarrberufs nicht abschließen, ohne noch einmal zwei weitere Beurteilungen zu zitieren. "Er ist in der Lage anzugeben, wie ein Haushaltsplan aufzustellen und wie der Ortskirchensteuerfuß zu berechnen ist." Wegen der letzten Fähigkeit werden wir irgendwann wohl vielleicht sogar noch einmal auf dich zukommen müssen. "An sich war er willig", auch das sein hier noch zitiert. Und dann weiter: "Er ließ sich bei Erkrankung des Chefs ohne weiteres aus dem Urlaub zurückrufen." Davor, bist du lieber Helmut nun endgültig gefeit.

All das bisher Gesagte schwingt mit, wenn ich dir nun die lapidaren Sätze deiner Ruhestandsurkunde vorlese:

- Text der Urkunde -

Vieles gäbe es anzufügen. Vieles wird noch angefügt werden. Ich meinerseits habe für zwei schöne Jahre gemeinsamen Weges und entgegengebrachten Vertrauens zu danken. Es tat mir gut zu erkennen: hier sind Menschen, denen viel liegt am Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Hier sind Menschen, denen es nicht gleichgültig ist, wenn Menschen bedroht sind vom Verlust der Arbeit, von der Verletzung ihrer Würde. Von Abschiebung in eine ungewisse und oft gefährliche Zukunft. Die Auferstehungsgemeinde - da bin ich sicher - wird auch in Zukunft ein Ort gelebter Solidarität auch christlicher Verantwortung bleiben.

Ein Wort aus dem 2. Petrusbrief soll euch in die Ruhestand begleiten. "Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt." Dieses gemeinsame Warten wird uns auch künftig miteinander verbunden halten. Und das wollen wir jetzt gleich auch im Mahl der Freude und der Gemeinschaft miteinander feiern.

Wie man euch kurz und knapp beschreiben könnte, habe ich mich dann noch gefragt. Und ich bin zu der Überzeugung gelangt, nichts passt besser zu euch als das Motto des Jubiläumsjahres der badischen Landeskirche aus dem Jahr 1996. Dieses Motto hat ja bekanntlich gelautet: "Fromm, bunt , frei!"

Drei kleine Beigaben sollen diese Charakteristik unterstützen. Fromm dieses kleine Büchlein, das ich dir, lieber Helmut jetzt geben möchte. Es ist lebensnah fromm und ein gutes Büchlein dazu. Wenn du‚s schon hast, kannst du‚s also ohne schlechtes Gewissen weiterverschenken.

Bunt dieses Tuch, das ich dir geben möchte, liebe Annegret. Bunt wie die Schöpfung und die Hoffnungsfarben des Regenbogens.

Frei seid ihr jetzt hoffentlich mehr in eurer Zeit. Um diese freie Zeit zu füllen, bekommt ihr beide jetzt je einen Umschlag. Ich hoffe, ihr findet Freude bei dem, wozu er euch einlädt und ihr bleibt noch lange "mitten drin im Leben".
Lasst mich diese Worte der Übergangs in eine andere reiche Lebensphase schließen mit einem Gebet:

Gebet
Lebensfreundlicher Gott, viele Jahre hast du Annegret und Helmut Zeilinger begleitet auf ihren Wegen zu den Menschen und mit den Menschen. Mehr als ein halbes Leben haben sie in die Arbeit deiner Kirche eingebracht. Vieles hat unter ihren Augen und Händen zu wachsen begonnen. Manches wird erst aufgehen, wenn sie schon lange nicht mehr hier sind. Wir bitten dich: Bleibe den beiden nah auf allen Wegen, die sie weitergehen. Halte auch in Zukunft all unsere Sinne wach, damit wir die Spuren deines Segens in ihrem und in unser aller Leben erkennen können. Amen.

Gottes Atem lässt uns weiterleben. Davon wollen wir jetzt singen mit dem Lied

EG 432,1+3: Gott gab uns Atem, damit wir leben
Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.