Ansprache anlässlich der Verabschiedung von
Pfarrer Gerhard Eberle in den Ruhestand
am Sonntag, den 14. Mai 2000 (Jubilate)
in der Thomaskirche in Freiburg

14.05.2000

Lieber Herr Eberle,

dieser Tag ihrer Verabschiedung ist ein großer Tag! Und stärker als andere trägt die Musik zur Festlichkeit dieses Tages bei. Posaunenchor und Kantorei, Orgel und Männerchöre - alle leisten auf ihre Weise einen Beitrag, um diesen Tag wirklich zu einem Festtag werden zu lassen. Aber schließlich sind wir auch in der Reihe der drei Sonntage mit den wunderschönen Namen. "Jubilate = jubelt - der heutige. Kantate = singt - der nächste. Rogate = Betet - so heißt dann der Sonntag in zwei Wochen. "Jubelt - singt - betet" Das ist ein gutes Programm. Für sie als Pfarrer. Aber im Grunde für uns alle.

Am heutigen Jubelsonntag waren unüberhörbar die Bläser für den Eingangsjubel verantwortlich. Und ihr Mitwirken, lieber Herr Eberle, hat zugleich auch ihre Liebe zu dieser Musik zum Ausdruck gebracht. Gerade heute, am Tag ihrer Verabschiedung, haben sie es sich auch nicht nehmen lassen, wieder selber mitzuspielen.

Lieber Herr Eberle, mit dem heutigen Sonntag geht nicht nur ihre Zeit als Pfarrer der Thomasgemeinde zu Ende. 26 Jahre lang sind sie hier der Gemeindepfarrer gewesen. Mit diesem Gottesdienst werden sie auch aus dem aktiven Pfarrdienst in den Ruhestand verabschiedet. Dazu hat der evangelische Oberkirchenrat für sie eine Urkunde ausgestellt. Den Text dieser Urkunde möchte ich ihnen jetzt vorlesen:

- Verlesung der Urkunde -

Die wenigen Worte dieser Urkunde können die unterschiedlichen Stationen und Erfahrungen ihres Dienstes als Pfarrer kaum angemessen zum Ausdruck bringen. Geographisch sind sie schnell aufgezählt: Mannheim, Leimen, Niedereggenen, Freiburg. Aber jede Station ist angefüllt mit Geschichten. Mit Erfahrungen unterschiedlichster Art mit Menschen. Mit Gelingen und mit Scheitern. Mit der beglückenden Erfahrung des Menschen treffenden und aufbauenden Zuspruchs ebenso wie mit dem unvermeidlichen Eingeständnis des Schuldigwerdens.

Hier in der Thomasgemeinde haben sie ihre längste Wegstrecke zurückgelegt. Hier hat sich alles wie in einem Brennglas gebündelt, was ihren Weg begleitet und geprägt hat. Als ich im Jahre 1976 meinen Zivildienst in der benachbarten Lutherpfarrei begonnen habe, da waren sie schon zwei Jahre hier im Amt. Sie gehören damit zu der im Kirchenbezirk Freiburg gar nicht so kleinen Gruppe von Pfarrern, die hier schon im Dienst waren, als ich noch ehrenamtlicher Jugendelieter war und die ich nun nach meiner Rückkehr in diesen Bezirk wiedergetroffen habe.

Die stabilitas loci, die Bereitschaft, an dem einmal gewählten Ort zu bleiben, ist eben eines des besonderen Merkmale dieses Freiburger Kirchenbezirks. Und ihre 26 Jahre werden von mehr als einem Kollegen sogar noch übertroffen! Freiburg ist eben auch im hauptamtlichen kirchlichen Dienst von ungebrochener Anziehungskraft.

Ihr Weg als Pfarrerssohn führte aus dem Pfarrhaus ins Pfarrhaus. Erst am Ostermontag sind sie wieder einmal den Spuren ihrer Heidelberger Jugend nachgegangen.

Sie sind, wenn ich das an dieser Stelle so ungeschützt sagen darf, durchaus ein Original. Manches lag ihnen näher als anderes. Statt gemeinsamer Treffen, Konvente und Konferenzen mit Kollegen haben sie lieber den Dienst der "Stallwache" - wie sie sich ausgedrückt haben - wahrgenommen. Überhaupt: wenn aus Sicht des Dekanats ein hervorstechendes unveränderliches Kennzeichen für sie zu bestimmen wäre, dann ist dies insbesondere die Bereitschaft zur Übernahme und Gestaltung von Beerdigungen. Wahrscheinlich wissen sie selber nicht, wieviele Angehörige sie auf dem Weg zum Grab begleitet haben. Es wird vermutlich eine Zahl in den Vierstelligen sein.

An kaum einem anderen Punkt sind Menschen derart auf den Zuspruch von Worten angewiesen, die trösten und weiterhelfen. Hier wird viel Dankbarkeit für sie angesammelt worden sein.

Dem vielfachen Dank, der sicherlich auch nachher noch zum Ausdruck gebracht werden wird, möchte ich ausdrücklich noch weiteren anschließen. Zunächst möchte ich ihnen im Namen von Prof. Gehrke, dem Vorsitzenden des Kirchengemeinderates und im Namen von Frau Behrend für ihren langjährigen Dienst in der Thomaspfarei danken. Zudem möchte ich ein ausdrückliches Dankwort des Landesbischofs weitergeben, den Dank nämlich dafür, dass sie schon vor Erreichen der offiziellen Altersgrenze von 65 Jahren aus dem aktiven Pfarrdienst ausscheiden.

Mehr als 100 Pfarrer der Landeskirche haben von dieser zeitlich befristeten Möglichkeit Gebrauch gemacht. Allein acht aus unserem Kirchenbezirk. Ohne Frage: dieser Aderlass an erfahrenen Kollegen hinterlässt ein Lücke. Auf der anderen Seite: auf diese Weise helfen sie mit, dass junge Kolleginnen und Kollegen in den Pfarrdienst übernommen werden können.

Nicht nur auf diesem Feld haben sie sich immer wieder auch für Belange der Pfarrerschaft stark gemacht. Über viele Jahre waren sie auch der Bezirksvertreter des evang. Pfarrvereins in Baden, der für die Belange und Interessen der Pfarrerinnen und Pfarrer eintritt. Auch dafür darf ich mich bei ihnen als dem derzeitigen Vorsitzenden des Pfarrvereins von Herzen bedanken.

In all diese ernst- und gutgemeinten Worte des Dankes möchte ich ausdrücklich auch ihre Frau miteinschließen. Auf vielfache und von außen oft gar nicht immer wahrnehmbare Weise war sie in ihre Arbeit hineinverwoben und hat ihnen den Rücken freigehalten und sicher immer auch wieder gestärkt.

Dass dieser Pfarr-Beruf ein sehr schöner, aber doch zugleich immer wieder auch schwerer Beruf ist, haben sie mehr als nur einmal erfahren. Und sie haben sich zugleich einen Ausgleich gegönnt, der sie zumindest im Blick nach oben immer wieder aus den Niederungen des täglichen Geschäftes in ungeahnte Höhen und an unbekannte Ort weit weg von hier führte. Auch mit ihren Brieftauben haben sie sich als ein Pfarrer der besonderen Art und mit besonderen Vorlieben ausgewiesen.

Ich weiß nicht, wem der Wegzug nun schwerer fällt: den Tauben, die umorientiert werden müssen, oder ihnen. Ein Stück Brieftaube mit der Sehnsucht, nach Hause zu fliegen, steckt schließlich in uns allen!

Auf ihrem Weg in diese noch einmal ganz neue Lebensphase soll sie ein Psalmvers begleiten, den sie wahrscheinlich oftmals auch anderen Menschen zugesprochen haben. Es gibt keine Lebensphase, an der wir gerade diesen Zuspruch nicht wieder ganz neu nötig haben. Das Wort steht im 46 Kapitel des Jesajabuches und lautet:

"So spricht der Herr: Bin in euer Alter bin ich derselbe. Und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan. Und ich will heben und tragen und erretten."

Mehr als diese Zusage braucht‚s eigentlich nicht für diese so ganz neue Phase, der sie jetzt entgegengehen. Jubeln und singen und beten - dies alles wird denke ich auch künftig ihr Thema bleiben. Aber sicherlich bleibt jetzt auch noch mehr freie Zeit für all die Dinge, die ihnen so am Herzen liegen. Und manche Reisen machen sie auch gerne mit der Bahn. Dazu wollen evang. Kirchenbezirk und evang. Kirchengemeinde gemeinsam etwas beitragen.
Mit dem Inhalt dieser Gutscheine, nämlich Fahrkarten-Gutscheine, bleibt ihnen so mancher Fuß - oder Autokilometer erspart. Als Kirchengemeinde und als Kirchenbezirk wollen wir auf diese Weise dazu beitragen, dass sie nach Jahrzehnten einer starken Verortung nun auch immer wieder neu die Möglichkeit des gemeinsamen Aufbruchs miteinander nutzen können.

Es ist gut, jeden Aufbruch unseres Lebens, auch den in die Zeit ohne die festen Verpflichtungen des Pfarrdienstes, unter den Segen Gottes zu stellen. Darum lasst uns beten:

Gebet
Gott, du bleibst bei uns, wohin wir uns auch auf den Weg machen. Wir bitten dich heute ganz besonders für Pfarrer Gerhrd Eberle. 26 Jahre hat er in dieser Gemeinde gearbeitet. Mehr als ein halbes Leben hat er die Arbeit deiner Kirche miteingebracht. Vieles hat in dieser Zeit wachsen können. Wir bitten dich, Gott: Bleibe du ihm und seiner Frau nah auf allen Wegen, die du sie weiter führst. Wir bitten dich heute auch für diese Thomas-Gemeinde. Stärke alle, die auch in Zukunft hier leben und arbeiten und deine gute Nachricht weitersagen. Amen.

Segenswort
Gott, der Schöpfer und der Bewahrer allen Lebens hat dich bisher geleitet. Er halte auch in Zukunft seine Hand über dich und begleite dich - in guten und in schweren Tagen.

So segne und behüte dich Gott, der gnädige und der barmherzige, Vater, Sohn und heiliger Geist. Amen.
Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.