Ansprache
zur Verabschiedung von Pfarrerin Elke Schott
am Sonntag, den 1. Dezember 2002 (1. Advent)
in der Evangelischen Kirchengemeinde Neustadt

01.12.2002
Liebe Frau Schott,

Advent heißt – wir wissen es alle – Ankunft. Doch es ist keineswegs ein Fest der Ankunft, das wir heute feiern. Heute geht es – zumindest im Blick auf sie – um Abschied. Am 6. Dezember 1998 habe ich sie hier als Pfarrerin dieser Gemeinde eingeführt. Sie waren damals schon über einen längeren Zeitraum als Pfarrvikarin hier im Einsatz. Heute nun ist der Tag ihrer Verabschiedung.

Es ist zum einen ihre eigene, bisherige Gemeinde, die sich von ihnen verabschieden will. Kirchengemeinde und Mitarbeitende aus den gemeindlichen Arbeitsfeldern, Gemeindeglieder ihrer Gemeinde und wohlmeinende Menschen aus der befreundeten Ökumene. Sie selber verabschieden sich mit diesem Gottesdienst. Wenn ich sie heute hier verabschiede, dann tue ich das gewiss auch ganz persönlich. Ich tue es aber auch für den Kirchenbezirk und damit stellvertretend für die größere kirchliche Gemeinschaft, innerhalb derer sie hier gearbeitet haben.

Sie sind die erste aus dem Kreis der Pfarrerinnen und Pfarrer, die ich eingeführt habe, die ich nun auch wieder verabschiede. Im Blick auf mich heißt das, dass ich nun auch schon eine ganze Weile hier im Kirchenbezirk bin. Im Blick auf sie, dass ein Zeitabschnitt, ja ein Sinnbogen ihrer eigenen Biographie zu Ende geht. Vielen mag dieser Abschnitt sehr kurz – zu kurz vorkommen. Auf der anderen Seite ist die Verweildauer einer Pfarrein oder eines Pfarrers auf einer Stelle individuell sehr unterschiedlich. Und am Ende kommt es weniger auf die Dauer als auf die Intensität der gemeinsamen Zeit an.

Sie haben hier in Neustadt öffentlich wahrnehmbar als Pfarrein gelebt und gewirkt. Sie waren eine unübersehbare Repräsentantin ihrer evangelischen Kirche und der evangelischen Gemeinde hier vor Ort. Sie waren eine gute Botschafterin zugleich im ökumenischen Miteinander mit der katholischen Schwestergemeinde. Und im Gegenüber zur Kommune. Für die Wahrnehmung dieser Aufgabe möchte ich ihnen von Herzen danken.

Die Neustädter Jahre waren die Jahre ihrer ersten Pfarrstelle. Die Jahre der ersten Liebe zum schönen Pfarrberuf. Die Jahre des ersten und gewiss nicht immer leichten Lernens auf dem schönen, aber wahrhaftig immer auch hindernisreichen Feld der Arbeit in einer Gemeinde. Im Rückblick wird manches, was ihnen vorher womöglich gar nicht so wichtig schien, mit einem Male von unendlichem Wert sein. Anderes, was sie geplagt und aus dem Tritt gebracht haben mag, wird dafür ganz schnell seinen Schrecken verlieren. Daher ist es gut, im Leben auch immer wieder Abschied zu feiern. Der Abschied ermöglicht hilfreiche Zäsuren. Ist befreiend und wertschätzend in der ehrlichen Bewertung dessen, was war. Und lässt einem neue Kräfte zuwachsen im Blick die Gestaltungschancen, die jetzt vor ihnen liegen.

Sie übernehmen jetzt in Vörstetten eine neue Aufgabe als Gemeindepfarrerin. Damit verlassen sie zwar den Kirchenbezirk. Zugleich rücken sie viel näher an Freiburg heran. Wie jeder Abschied stellt auch dieser seine Herausforderungen in eine zweifache Richtung. Zunächst an sie, liebe Frau Schott. Auf sie warten neuen Menschen und neue Gelegenheiten, ihre Gaben zum Nutzen der Menschen einzusetzen.

Vor einer neuen Herausforderung stehen aber auch sie, die Gemeindeglieder in Neustadt. In wenigen Tagen wird die Ausschreibung der hiesigen Pfarrstelle veröffentlicht. Wir können noch nicht wissen, wer auf diese Ausschreibung reagieren wird. Was wir aber wissen können ist dies: Sie sind als Gemeinde keineswegs verlassen. Da sind zum einen sie, lieber Herr Rohde. Einstweilen verkörpern sie die Kontinuität der Hauptamtlichen. Da ist Pfarrer Stier aus Hinterzarten, der die Verwaltung übernommen hat. Da ist der Kirchengemeinderat mit Frau Bieber, der die nötigen Entscheidungen in aller Behutsamkeit und Klarheit trifft. Und da sind sie, die Gemeindeglieder, die ja Gemeinde im tiefsten Sinn ausmachen. Ich bin sicher, dass wir gemeinsam gut durch die Monate der Vakanz hindurchkommen werden.

Nicht alleingelassen sind wir auch in einem anderen Sinn. Und dies gilt sowohl für sie als am Ort verwurzelte Gemeinde wie für sie, liebe Frau Schott auf dem Weg zur neuen Aufgabe. Ein hilfreicher Zuspruch kommt uns heute, am 1. Sonntag im Advent, aus dem Wochenspruch entgegen:

Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.

Wohin auch immer wir uns im Aufbruch befinden: Gott kommt uns entgegen. Welche Lücken auch immer uns zu schaffen machen: Wir brauchen den Hindernissen nicht auszuweichen. Wie sehr die Welt gegenwärtig aus den Fugen scheint; welche Turbulenzen uns außer Atem bringen mögen – sie sind allemal ein Argument für den Advent. Keines dagegen. Wo alles im Lot ist, hat der Advent keine Chance. Advent ist die Zeit der Einsicht. Ist die Zeit, in den Schwierigkeiten eine Herausforderung zu entdecken, als ins allgemeine Krisengerede mit einzustimmen. „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ Gerechtigkeit und Hilfe sind uns zugesagt. Und sie sind vorweggenommen im Leben dessen, auf den wir warten. Advent heißt leben im Wissen, dass Hilfe möglich und in der Nähe ist.

Von dieser Hilfe werden sie, liebe Frau Schott, auch in Zukunft reden. Und im Glauben an diese Hilfe werden auch sie, liebe Gemeinde in Neustadt verbunden bleiben. Advent ist ein guter Zeitpunkt für einen Abschied. Denn im Advent feiern wir die Gewissheit, dass wir nicht alleingelassen sind. Weil Gott auf unserer Seite ist. Amen.
Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.