RITE VOCATUS“ ALLEIN TUT’S FREILICH NICHT
FUNKTIONALE ÜBERLEGUNGEN ALS BEITRAG ZUR GEGENWÄRTIGEN DISKUSSION ZUM VERSTÄNDNIS DER ORDINATION

13.04.2003
Über die Ordination wird gegenwärtig auf allen kirchlichen Ebenen neu nachgedacht. Einen eigenen Beitrag dazu hat Landesbischof Dr. Ulrich Fischer mit seinen „Gedanken zum ordinierten Amt in unserer Kirche“ geleistet. So hat aber etwa auch der Theologische Ausschuss der VELKD hat mit seiner Studie „Allgemeines Priestertum und Ordination nach evangelischem Verständnis“ eine grundlegende und EKD-weite entsprechende Diskussion inszeniert.

Für die gegenwärtig in Gang befindlichen Versuch einer Neubelebung der Diskussion über die Bedeutung der Ordination gibt es eine Reihe unterschiedlicher Begründungszusammenhänge. Der erste ist theologisch-systematischer Natur. Spätestens seit der vatikanischen Erklärung „Dominus Iesus“ und dem vom Ökumenischen Rat der Kirchen in Gang gesetzten Konvergenzprozess zur Ekklesiologie hat auch innerhalb der evangelischen Kirchen von Neuem ein Nachdenken über den Kirchenbegriff eingesetzt. Innerhalb dieser Neubesinnung kommt man um ein Reflexion über die Problematik des Amtes bzw. der Ämter und deren Zugangsvoraussetzungen und deren Funktion nicht herum. Hier einen Abschnittswechsel einfügen

Allzu lange sind ekklesiologische Diskussionen – sofern es sie überhaupt gab – eher in Form des Nachdenkens über die Ämterproblematik enggeführt worden. Eine bewusstes Aufbrechen dieser Tendenz wird um die Klärung der Verortung der Frage nach Amt und Ordination und auf eine plausible Zuordnung beider keineswegs verzichten können. Dass wir diesen Klärungsprozess heute mehr denn je im Horizont des ökumenischen Dialogs zu führen haben, macht ihn gewiss nicht leichter, verlangt aber um so mehr ökumenische Sensibilität und zugleich ein evangelisches Selbstbewusstsein.

Der zweite Begründungszusammenhang ist von veränderten gesellschaftliche Rahmenbedingungen bestimmt. Die protestantische Neunbestimmung dessen, was mit Ordination gemeint ist, liegt ein halbes Jahrtausend zurück. Grunddaten werden bleiben. Doch die Welt, innerhalb derer Kirche sich bewähren und die Bedeutung der Ordination sinnvoll bestimmt werden muss, hat mit der des Reformationsjahrhunderts nicht mehr viel gemeinsam. Welche Bedeutung hat die Ordination unter der postmodernen Voraussetzung des „anything goes“, religiöser und weltanschaulicher Pluralitäten und eines Öffentlichkeitsbegriffs, der nicht mehr von der Welt der spätmittelalterlichen Stadt, sondern von der globalen Vernetzung geprägt ist?

Der dritte bestimmende Kraft der gegenwärtigen Diskussionen über die Ordination rührt aus kirchenrechtlichen bzw. auch kirchlich-praktischen Fragestellungen her. Teilzeitdienstverhältnisse im Pfarrdienst, zeitweise Ausstiege aus einer von der Ordination bestimmten Biographie, ehrenamtliche Formen des Gebrauchs der durch die Ordination verliehenen Rechte, aber auch eine Fülle von Beauftragungen von Menschen, die in zeitlicher oder geographischer oder funktionaler Beschränkung Aufgaben wahrnehmen, die ursprünglich an die Ordination gebunden waren, haben zu unterschiedlichen Entscheidungen und Ausgestaltungspraktiken und Unterscheidungen geführt, die insbesondere in der Frage des Verhältnisses von Ordination und Beauftragung virulent werden.

Nicht vergessen werden darf in der Aufzählung der Begründungszusammenhänge der neuen Ordinationsdiskussion die Frage der Standortbestimmung, man könnte auch sagen die Nachfrage nach der Befindlichkeit, Gestimmtheit und dem Erleben der Ordinierten selber. Die Feststellung, dass die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse erhebliche Auswirkungen auf die Kirche haben, impliziert zugleich auch eine entsprechende Feststellung im Blick auf die Ordinierten. Die allgemein zu konstatierenden Verunsicherungen haben Folgen für die personale und berufliche Identität der Hauptamtlichen - und nehmen die Ordinierten hier keineswegs aus. Die Tatsache der Ordination wirkt in den meisten Fällen keinesfalls immunisierend und wird nicht selten in ihrer Bedeutung eher gering bewertet oder komplett verdrängt oder - in gegenläufiger Tendenz - deutlich überhöht. Ein Indiz für die letzter Variante ist die auch im protestantischen Bereich zunehmende (nur?) sprachliche Unterscheidung von Priestern und Laien. Auch wenn sprachliche Alternativen für die Unterscheidung zwischen Ordinierten und Nichtordinierten schwer zu finden sind und in der Regel nicht befriedigen, droht hier sehr wohl die Gefahr, eine der Grunderrungenschaften des Protestantismus durch leichtfertige Sprachregelungen auf’s Spiel zu setzen.

Für eine Neubesinnung im Blick auf die Bedeutung der Ordination stehen – wie bei anderen vergleichbaren Prozessen auch - im Grunde drei grundsätzliche Optionen offen. Man kann (a) die scheinbar oder tatsächlich heile Welt der Vergangenheit idealisieren und wiederzugewinnen hoffen. Es könnte (b) bei den Ungeklärtheiten der Gegenwart bleiben. Bestenfalls wäre es den Versuch wert, den kleinsten noch möglichen gemeinsamen Nenner zu finden. Lohnend wäre es (c) aber allemal auch, eine Neubesinnung und womöglich auch Ansätze einer Neudefinition zu wagen, die keineswegs ohne Rückbesinnung auf den Ursprung der Diskussion auskommen müssen.

Die traditionellen theologischen Grundbestimmungen der Ordination sind klar, auch in der Darstellung der grundsätzlichen Bedeutungs- und Gestaltungsvarianten. Es geht um die rechte Verkündigung und Sakramentsverwaltung (wobei der Ausdruck „Verwaltung hier längst nicht mehr hilfreich ist). Es geht um die angemessene Zuordnung dieser Aufgaben gegenüber der Öffentlichkeit. Und es geht um die Klärung der Frage, ob die Wahrnehmung der durch die Ordination erfolgten Beauftragung in Ausübung der allen Gläubigen übertragen Aufgaben besteht oder ob doch ein deutliches Gegenüber zur Gemeinde konstituiert ist. Dass zudem auch die Übergänge zwischen dem Handeln von Ordinierten und Nichtordinierten teilweise verschwimmen, gehört ebenfalls zu den gegenwärtig bearbeiteten Problemstellungen.

Dennoch dürfen wir bei diesen „klassischen“ Fragestellungen nicht einfach verharren. Klärungsbedarf besteht gegenwärtig m.E. doch vor allem dahingehend, innerhalb der angebotenen Verstehensmuster eine tragfähige Grundlage für ein Ordinationsverständnis zu finden, das die Verwurzelung in den Bekenntnisgrundlagen nicht zur Disposition stellt, dabei aber auf eine Aktualisierung und Fortschreibung im Blick auf die Zukunft der Kirche, der Gestalt ihrer Verkündigung und deren Aufrechterhaltung durch Menschen unterschiedlichster individueller Ausprägung und in unterschiedlichen Berufsbildern nicht verzichtet. Wer sich zur Ordination äußert, äußert sich – ohne dass hier eine eindimensionale Identität vorliegt -, immer zugleich auch zum Pfarrberuf.

Ich will mich im nachfolgend Dargelegte vor allem darauf konzentrieren, Hilfestellung für eine derartige Neubesinnung zu leisten, indem ich die Funktion der Ordination hinsichtlich dreier unterschiedliche Bezugsgrößen zu beschreiben versuche: (1) im Blick auf die Institution, die unter religionsphänomenologischen Gesichtspunkten die Ordination gewissermaßen „verleiht“, die also das Ordinationsrecht hat, d.h. die Kirche, (2) im Blick auf die Öffentlichkeit und (3) im Blick auf die Ordinierten oder zu Ordinierenden selber. Es handelt sich also um eine funktionstheoretische Annäherung in theologischer bzw. kirchenpraktischer Absicht.

Theologisch unbestritten ist, dass Christus der im Ordinationsgeschehen eigentlich Handelnde ist. Dessen ungeachtet wird das ordinierende Handeln gewissermaßen von der Kirche gesteuert – um den Ausdruck „verwalten“ auch hier zu vermeiden. Insofern wird auch die Diskussion um die Ordination zunächst einmal von dieser kirchenleitenden Ebene aus neu initiiert. Die beiden oben genannten Beiträge des Landesbischofs und der VELKD sind von dieser Perspektive her einzuordnen.

Deutlich scheint, dass die mit der gegenwärtigen Diskussion verbundene Absicht in kirchenleitender Verantwortung nicht zuletzt unter dem Vorzeichen einer Stärkung der Institution erfolgt, die sowohl durch die Stärkung der Ordinations-Handlung selber wie mittelbar auch durch eine Vergewisserung der Ordinierten erfolgen soll. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang der Rekurs auf das Amt der Einheit in der Person des Bischofs, dessen Aufgabe als Ordinator wieder stärker in den Blick gerückt werden soll, wie auch das Bemühen, die Ordinierten selber wieder verstärkt an ihre Ordination zu erinnern.

Dieser Weg erweist sich als Gratwanderung, weil parallel zu diesen Vergewisserungsbemühungen in Aufnahme von Erfahrungen aus der weltweiten Ökumene eine Diskussion geführt wird, die die klassische eindimensionale Laufbahn der Vollzeit-Pfarrerinnen und -pfarrer für weitere Gruppen öffnet, die von andere Biographien und Lebenssituationen geprägt sind. Im Hintergrund steht eine kleiner, aber folgenreicher Paradigmenwechsel, der die über Jahrhunderte gewachsene Bindung der Ordination an eine wissenschaftlich-theologische Ausbildung und den Eintritt in ein lebenslängliches Dienstverhältnis zur Kirche durch eine stärkere Gewichtung der übernommenen Funktionen „aufweicht“ oder zumindest (teilweise) sogar durch diese ersetzt. Daraus resultiert dann auch die in dieser Diskussion zunehmend laut werdende Forderung, auf den Weg der Beauftragung gänzlich zu verzichten. Wer predigt und Sakramente austeilt, - so kann man in verschiedenen Diskussionsbeiträgen lesen - muss auch ordiniert und nicht nur beauftragt werden.

Auf dieser Ebene der Diskussion wird am stärksten theologisch-systematisch argumentiert, weil sich die Steuerung der Ordination derart auch am plausibelsten begründen lässt. Die Frage der Ordination und der Regelung des Zugangs liegt gewissermaßen im Kern der Identität der Kirche selber angesiedelt. Jedes Verschieben der Gewichtungen, jeder Aufweichung oder Intensivierung wirkt mit Sicherheit auf die öffentlich wahrgenommene Bedeutung der Institution selber zurück. Indem die Ordination erinnert und gestärkt wird, bearbeitet und schärft die Institution ihre eigene Identität und führt brach liegende Ressourcen der erneuten Nutzung zu. Offen bleibt aber zunächst die Frage, ob die Ordinationserinnerung die ihr zugedachte Aufgabe leisten kann, wenn nicht zugleich und mit derselben Stringenz die ekklesiologische Grundsatzdiskussion angegangen und geführt wird. Ansonsten wird die mit dem Zielpunkt der „Lust-Erhöhung“ geführte Neubesinnung einseitig den Last-Faktor verstärken.

Die im Vergleich zum Reformationsjahrhundert entscheidend gewandelte Komponente ist die der Öffentlichkeit. Der Prediger an der mittelalterlichen Bürgerkirche hatte gewissermaßen ein Monopol hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit in der Öffentlichkeit. Umso mehr wurde in der Entwicklung eines evangelischen Ordinationsverständnisses darauf abgehoben zu betonen, dass der entscheidende und von den Nichtordinierten unterscheidende Faktor der Ordination die Wahrnehmung der eigentlich allen Glaubenden zu Gebote stehenden Möglichkeiten vor und in der Öffentlichkeit ist. Auch damals war schon unbestritten: Wer die Meinungsführerschaft und die Öffentlichkeit hat, der hat die Macht. Diesem Zusammenhang nicht zuletzt verdankte die Reformation ihre fulminante Verbreitung in weiten Teilen Europas im 16. Jahrhundert.

Heute ist die Öffentlichkeit nicht mehr an das Kanzelrecht gebunden. Andere Institutionen haben im Blick auf die Öffentlichkeitswirkung der Kanzel längst den Rang abgelaufen. Weltweit vernetzte Medien sind im einen Fall von wenigen Medienzaren kontrolliert, in anderen Fällen, wie etwa beim Beispiel des Internet, jedem zugänglich und überhaupt nicht mehr zu kontrollieren. Die Möglichkeit der Herstellung einer eigenständig inszenierten Öffentlichkeit steht im Grundsatz jedem offen und wird auch von Sinnstiftungsanbietern aller Art ebenso genutzt wie von den Vertretern wirtschaftlicher, ideologischer und selbst auch krimineller Interessen. Die Kirche ist ein Anbieter unter vielen. Den Zugang zur Öffentlichkeit kann sie nicht mehr steuern. Bestenfalls – und dringend erforderlich – kann sie Kriterien der erträglichen bzw. kritischen Wahrnehmung in die Diskussion einbringen.

Dies hat Auswirklungen auf die Bedeutung der Ordination. Wer ordiniert wird, hat nicht mehr einen a-priori-Vorsprung imBlick auf die Nutzung der Chancen der Öffentlichkeit. Er oder sie steht aber in der öffentlichen Wahrnehmung unter Signum der Autorisierung durch die Kirche und in der Erwartung, legitimerweise den „Originalton“ der Kirche hörbar zu machen – und steht auf diese veränderte Weise sehr wohl in einer verantwortungsvollen Funktion gleichsam in der und zugleich gegenüber der Öffentlichkeit. Die Ordination verschafft nicht mehr den Platz auf dem Markt, aber in rechter Nutzung der damit verbundenen Möglichkeiten erhöht sie das Interesse im Blick auf die Vernehmbarkeit in der Konkurrenz mit anderen mit einer nach wie vor erstaunlich guten Grundausstattung an im Voraus gewährtem Vertrauen. Wo aber jede/r das Recht hat, sich auf dem öffentlichen Markt nieder zu lassen, wird die Frage der Autorisierung in Verbindung mit einer gut gegründeten und durch Ausbildung und Zeitgenossenschaft erworbenen Kompetenz und Sprachfähigkeit entscheidend: „Sagst du das aus dir selbst oder im Auftrag eines anderen?“ Oder besteht dazwischen im Grunde nicht einmal ein unauflösbarer Widerspruch?

Unbestreitbar wird sich die Öffentlichkeit letzten Endes mit der Tatsache des „rite vocatus“ allein nicht zufrieden geben. Vielmehr wird der zugesprochene bzw. erworbene Status entscheidend vom Gewicht der Funktion und der erkennbaren Statussymbolen der Profession bestimmt, so sehr man dies unter theologischen Vorzeichen auch beklagen mag. Konkret: Kirche wird von den Medien immer noch sehr entscheidend durch Pfarrerinnen und Pfarrer wahrgenommen. Die wirksamste Gegensteuerung ist nicht eine Ausweitung der Adressatengruppe an sich. Vielmehr muss es immer wieder gelingen, Menschen, die schon vorher in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden, zur Übernahme kirchlicher, etwa synodaler, aber auch verkündigender Ämter zu gewinnen. Die größere Wahrnehmung von „offiziellen“ Amtsträgern/innen gegenüber anderen Personengruppen, die in kirchlicher Veranmtwortu g handeln, bleibt als Faktum gegenwärtig dennoch bestehen.

Insofern ist die etwa von Augustin in der Auseinandersetzung mit den Donatisten intendierte Funktion der Ordination, von der Person der Ordinierten im Unterschied zu den Rigoristen gerade abzusehen und diese gewissermaßen gegen Angriffe auf ethische Defizite durch den Verweis auf die Ordination an sich immunisieren zu können, verloren gegangen. Die Öffentlichkeit der Postmoderne befindet sich auf der Dauersuche nach (zumindest partiellen) Heiligen, die im Falle der Enttarnung sofort „gestürzt“ – und bei Inanspruchnahme kirchlicher Autorität etwa durch die Ordination sofort als Lastschrift auf dem Negativkonto der öffentlichen Wahrnehmung verbucht werden.

Bleibt der Blick auf die Funktion der Ordination hinsichtlich der Ordinierten selber. Ergebnisse einer denkbaren Evaluation der individuellen Bedeutung der Ordination für die Ordinierten, womöglich eingeordnet in den Wandel ihrer Lebensgeschichte, liegen bislang nicht vor. Dennoch wird die Vermutung, die eigene pastorale Identität sei mehr von den Stationen der beruflichen Laufbahn und von deren Erfahrungen bestimmt, als von der Rückbindung an die Ordination kaum von der Hand zu weisen sein. Insofern sind auch die guten Beteiligungsquoten der Ordinationsjubilarinnen und –jubilare beim Tag der badischen Pfarrerinnen und Pfarrer mindestens so sehr vom Interesse des Jahrgangs- bzw. Kurstreffens bestimmt als von der Feier des Ordinationsjubiläums. Rückmeldungen auf den Jubilars-Nachmittag spiegeln gleichwohl das (teilweise) Empfinden eines entsprechenden Defizits wieder.

Berufliche Selbstvergewisserung als Gegenstrategie zu den Folgeerscheinungen der Krise der Institution werden zurecht gefordert. Gefordert ist allerdings ebenso so sehr ein entsprechendes Handeln der Institution im Blick auf ihre grundsätzliche gesellschaftliche Verortung wie der Ansatz bei den Ordinierten. Die Gewichtung der Ordination ist im übrigen zentral davon abhängig, wie die Ordinierten ihre Akzeptanz und Wertschätzung innerhalb der Kirche erleben. Insofern ist die Ordination neben ihrer Außenwirkung immer auch ein Zeichen der Vernetzung innerhalb des Systems Kirche selber.

Die Diskussion der Bedeutung der Ordination hat gegenwärtig also mindestens drei Grundintensionen: Stabilisierung und Identitätssicherung im Blick auf die Institution, Legitimierung und Autorisierung gegenüber der Öffentlichkeit sowie Selbst- und- Fremd-Vergewisserung und Stärkung der Bindekräfte hinsichtlich der Ordinierten selber. Alles auf einmal ist nur selten zu gewinnen, und das eine (die Rückgewinnung einer „Ordinationsgewissheit“) nie ohne das andere (die ekklesiologische Grundsatzdiskussion in ökumenischer Perspektive). Unter den Vorzeichen der „offiziellen„ römisch-katholischen Ämterlehre bleibt die Ordination in ihrem protestantischem Verständnis im Grunde ein „illegitimes Zeichen“, das auch durch eine Anbindung an das evangelische Bischofsamt – mit der möglichen Folge der „Verdunkelung“ des innerevangelischen Prae, dass jede/e evangelische Pfarrer/in rechtmäßig ordinieren kann – die Fähigkeit zur „gültigen“ Leitung der Eucharistie nicht zu verleihen vermag.

Eine Neugewinnung eines evangelischen Ordinationsverständnisses hat zu klären, wie unter den Bedingungen des ständigen Wandels der strukturellen Bedingungen, unter denen Kirche verantwortlich gestaltet und geleitet wird, die Kommunikation der Guten Nachricht Gottes für die Welt auf Dauer gestellt werden kann – und wie die Verantwortung einzelner Menschen und klar definierter Personengruppen zu beschreiben ist. Dieser Absicht dienen haupt-, neben und ehrenamtlich übertragene Aufgaben, Berufsbilder alter und neuer Prägung sowie Formen der Inanspruchnahme und Beauftragung etwa in den schönen und einzigartigen und zugleich immer neu zu umschreibenden Möglichkeiten der Ordination. Insofern dient die Ordination neben der Selbst- und Außenvergewisserung immer auch der Rollenklarheit.

Dabei steht die Umsetzung der Ordination in der je eigenen Lebens- und Berufspraxis – und an dieser Stelle gehe ich über die funktionale Betrachtungsweise hinaus - als „Sakrament“ der Konkretisierung des Urdatums der Taufe immer auch in Abhängigkeit der Wertschätzung der Taufe selber. Zuspruch und Anspruch gerade der Ordination werden im Letzten vom Taufgeschehen her begründet und getragen. Das „baptizatus sum“ ist gegenüber dem „ordinatus sum“ das allgemeinere und grundsätzlichere und diesem allemal voraus. Jede Veränderung im Verständnis der Ordination steht daher unter dem Vorbehalt der Prüfung, ob sie die Möglichkeit der Kommunikation der Guten Nachricht befördert und diese erhellt.
Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.