Ansprache
für Melanie Honheiser und Jörg Schosser
gehalten anlässlich ihres Traugottesdienstes
am Samstag, den 31. Mai 2003
in der Kirche Maria Königin in Schluttenbach

31.05.2003
Liebes Hochzeitspaar!

Es sind wahrhaftig keine leichten Zeiten, in denen ihr heiratet. Niemals war der Wandel und die Ungewissheit so groß wie in unseren Tagen. Was gestern wichtig war, ist oft schon heute vergessen. Alles ist im Umbruch. Nichts bleibt, wie es war. Der Blick in die Zukunft endet häufig im Ungewissen. Was auf uns zukommt, liegt nicht offen und klar vor uns. Das gilt für den Bereich der Wirtschaft und der großen Politik. Die Kurven zeigen eher nach unten. Von Wachstum keine Spur. Erfolgsaussichten: Nein danke! Und doch hoffen wir, dass morgen schon wieder alles besser wird.

Nicht anders ist es auch mit dem Frieden. Die Kriegsnachrichten von gestern sind schon heute wieder abgelöst von anderen Schreckensmeldungen. Und die interessieren schon morgen niemanden mehr.

Ein drittes Feld des ständigen Wandels ist das der Mode. Was gestern noch modern war, ist heute veraltet. Und kein Mensch weiß, was morgen in sein wird.

Mit der Liebe soll es anders sein. Das wünscht ihr beide euch jedenfalls. Eure Liebe soll Bestand haben. Soll das Auf und Ab des Lebens gut überstehen. Soll euch durch die Jahre eures Lebens begleiten und beflügeln. Ganz so einfach ist das nicht. Das wisst ihr. Mehr noch: Nichts im Leben scheint so einfach und ist so schwer wie die Liebe, die zwei Menschen miteinander verbindet.

Gerade deshalb wünscht nicht nur ihr euch, dass eure Liebe Bestand hat. Dass eure Liebe bleibt. Zumindest kann man eurem Trauspruch diese Sehnsucht abspüren. Denn er handelt von der bleibenden Liebe. Es ist der berühmte Schlussspruch des sogenannten Hohen Liedes der Liebe. Der berühmte 13. Vers des 13. Kapitels des 1. Korintherbriefes:

Nun aber bleiben
Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei.
Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.


Die Liebe, die bleibt. Doch mehr noch: Auch der Glaube, der bleibt. Und die Hoffnung, die bleibt. Glaube, Hoffnung, Liebe – sie sollen um Gottes Willen bleiben.

Ohne Bleibendes können wir nicht leben. Wo Bleibendes zusammenbricht, bricht mehr als nur irgend etwas Vordergründiges. Da bricht etwas aus dem tragenden Gerüst des Lebens.

Ihr seid beide schon lange im Musikverein. Darum spielt er heute auch an eurer Hochzeit. Vereine gehören zu dem, was in einer Gesellschaft bleibt. Was ihr Dauer und Halt gibt im Wandel der Zeiten. Übrigens: Auch deine Arbeit im Kindergarten leistet gerade hierzu einen entscheidend wichtigen Beitrag. Will Halt geben und Werte vermitteln. Genau damit haben wir heute aber große Schwierigkeiten.

Und noch einmal will ich auf das Beispiel der Vereine zurückkommen. Schließlich habt ihr beide euch da ja wohl auch kennen gelernt. Vereine haben’s heute immer schwerer. Wegen der großen Konkurrenz. Wegen der abnehmenden Bereitschaft, sich zu engagieren. Wegen der Haltung, lieber Musik mit elektronischen Hilfsmitteln zu konsumieren anstatt sie zu produzieren; sie selber zu machen. Oder Sport am Fernsehen zu verfolgen anstatt selber ins Schwitzen zu kommen. Doch auch wenn sie’s also schwer haben - dennoch vermitteln Vereine Bleibendes. Durch die Tradition, in der sie stehen. Durch die Gemeinschaft die sie ermöglichen. Die Gemeinschaft, in dem was man eigentlich tut: Musik zu machen. Zu singen. Oder Sport zu betreiben. Aber auch durch die Gemeinschaft, die zwischen den einzelnen entsteht.

Euch hat diese Gemeinschaft am Ende zur Ehe verholfen. Wenn das kein guter Beitrag zur Pflege des Bleibenden ist! Mit eurer Ehe gründet ihr auch so etwas wie einen kleinen Verein. Ohne die sieben Mitglieder, die man zur Gründung eines Vereins nach bürgerlichem Recht braucht. Nein – zunächst einmal nur zu zweit. Und mit diesem euren Liebesverein wollt ihr auch zum Bleibenden beitragen. Vor allem dadurch, dass eure Liebe bleibt. Und dies habt ihr auch mit der Wahl eures Trauspruchs zum Ausdruck bringen wollen.

„Nun aber bleiben
Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei.
Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“


Eigentlich müssten wir heftig Einspruch erheben. Die alltägliche Erfahrung und die Statistik. Sie sprechen beiden zunächst eine deutlich andere Sprache. Von wegen die Liebe bleibt. Den Scheidungsanwälten geht es gut. Jede vierte Ehe wird heute schon geschieden. Man traut es sich kaum zu sagen an einem Hochzeitstag wie diesem. Von wegen die Hoffnung bleibt. Es gibt unsichtbare Friedhöfe zerbrochener Hoffnungen und enttäuschter Seelen. Weil irgend etwas nicht geblieben ist. Weil Hoffnungen sich nicht erfüllt haben. Weil irgend einer oder irgend etwas dazwischen gekommen ist.

Und dies alles, weil auch das dritte Bleibende brüchig geblieben ist. Weil auch der Glaube oft nicht mehr bleibt. Nicht nur der Glaube im Verständnis der Kirche. Der Glaube an Gott. Auf den komme ich gleich auch noch zu sprechen. Verloren geht heute oft auch schon der Glaube an die kleinen tragenden Dinge des Lebens. Der Erhalt des Arbeitsplatzes. Berufliches Weiterkommen. Gute Nachbarschaft. Die ausgeblieben Anerkennung. Die kleine Ernte auf den Feldern des Lebens. Wo aber unser Glaube zerbricht – der an das Gute, der an die Zukunft, der an die Menschen - da wird auch vieles andere brüchig.

In diesen Zeiten heiratet ihr. In diesen schwierigen, in diesen zerbrechlichen Zeiten gründet ihr den Liebesverein eurer Ehe. Und es ist gut, dass ihr das tut. Dass ihr ein Zeichen setzt für euren Willen, als Paar Bleibendes zu schaffen. Als Paar auf die Liebe zu setzen. So werdet ihr selber ein Hoffnungszeichen für andere. So tragt ihr selber bei zum Gerüst dessen, was eine Gesellschaft trägt. So stiftet ihr Hoffnung für andere. Und ihr nährt den Glauben, dass die Liebe wirklich das Größte ist im Leben.

Leicht gesagt ist das. Und auch leicht gewollt. Aber wahrhaftig nicht so leicht gelebt. Und jetzt komme ich doch noch einmal zum Thema des Glaubens. Auch wenn nicht der Glaube, sondern die Liebe das größte ist.

Was heißt das: glauben? Was heißt das für euch heute am Tag eurer Hochzeit.? Nicht einfach nur der Glaube, das wir uns schon irgendwie durchwursteln werden durch’s Leben. Glauben heißt auch nicht einfach das Für-Wahr-Halten dessen, was unserem Verstand widerstrebt. Glauben heißt damit rechnen, dass wir im Leben Flügel bekommen. Dass uns nichts wirklich aufhalten kann. Dass uns die Hoffnung bleibt. Und dass sie uns trägt. Gerade dann, wenn’s schwer wird. Wenn’s nicht mehr einfach von selbst läuft. Wenn wir die Flinte eigentlich schon ins Korn werfen. Weil wir die Hoffnung aufgeben.

Für eine solche Art des Glaubens gibt es keinen realistischen Grund. Und schon gar keine Erfahrung. Außer der Erfahrung derjenigen, die sich auf Gott verlassen. Und das schon seit Jahrtausenden. Schon längst bevor es das Christentum gab. Und seitdem erst recht. Glauben heißt damit rechnen, dass es Gott ist, der will, dass eure Liebe bleibt. Und dass sie immer wieder Blüten treibt. Weil Gott selber die Quelle der Liebe ist.

Doch dieser Gott ist mit seiner Liebe viel weiter und viel verschwenderischer als wir. Und diese Liebe ist auch nicht allein an eure Ehe gebunden. Keine und keiner bleibt hier außen vor. Die nicht, die anders leben. Und die nicht, denen die große Liebe längst zerbrochen ist. Mit der Liebe ist es manchmal ein wenig wie mit dem Geld. Man soll nicht immer auf den einen großen Schein warten. Sondern die vielen kleinen Münzen zum Einsatz bringen.

Und doch gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Geld und der Liebe. Schon mit der kleinen Münze kann man alles bekommen. Weil sie schon unendlichen Wert hat. Diese Liebe – sie soll euch bleiben. Und sie soll eure Hoffnungen für die Zukunft am Leben halten.

Es ist einiges, was ihr euch vorgenommen habt. Beruflich. Als Familie. Und hoffentlich immer wieder zusammen mit anderen. Der Tod der Liebe ist die Einsamkeit. Darum seid ihr auf Dauer auf eure Mitmenschen angewiesen. Und dies seit dem ersten Tag eures Lebens. Die Eltern waren die ersten, die euch auf die Spur gesetzt haben. Geschwister. Freundinnen und Freunde. Kolleginnen und Kollegen. Ohne sie geht es nicht. Nur mit ihnen hat der kleine Liebesverein eurer Ehe Bestand. Und damit euer Glaube. Eure Hoffnungen. Und eben auch eure Liebe.

Es ist eine alte Weisheit, die ich euch hier weitergebe. Tief Festgehalten im Gedächtnis der Kirche. Und im Gedächtnis all derer, die vor euch damit gerechnet haben, dass es Gott selber ist, dem sich alle Liebe und alle gelungene Beziehung verdankt. Und der in euch die Hoffnung am Leben hält, dass das Beste und Größte allemal noch vor euch liegt. Und darum wünsche ich euch, dass euer Wunsch in Erfüllung geht. Und alle, die hier sind, wünschen es euch von Herzen auch: Dass nämlich eure Liebe wirklich bleibt. Ihr müsst das eure dazu tun. Gott wird’s an seinem Segen schon nicht fehlen lassen. Amen.
Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.