PREDIGT
IM TRAUGOTTESDIENST VON MEIKE UND MARKUS
AM SAMSTAG, DEN 29. JULI 2006 IN WAGENSTADT

29.07.2006
Liebe Meike,
lieber Markus,

wenn zwei Menschen Hochzeit feiern, kommt man um das Thema Liebe doch wohl kaum herum. Und ihr habt mit der Wahl des Evangeliumstextes auch selber dieses Thema der Liebe angesprochen und gewissermaßen in einen biblischen Horizont gestellt. Ganz anders – und der Natur abgespickt – war das Thema eurer Liebe auf der Einladung zu diesem Fest ins Bild gesetzt. Zwei nicht mehr zu entwirrende, ineinander verwachsene Rüben, die auf ihre Weise einen Kommentar zum heutigen Fest der Hoch-Zeit Eurer Liebe abgeben. Klar unterscheidbar. Zwei schöne Exemplare. Aber nicht mehr voneinander zu trennen, ohne dass eine der beiden Rüben dabei Schaden leidet.

Stark ist dieses Bild. Und stark der Halt, den es zum Ausdruck bringt. Um Stärke – und gerade nicht um die Liebe - geht es auch in eurem Trauspruch. Er ist auf dem Gottesdienstprogramm gleich vorne abgedruckt.

„DENN DIE FREUDE AM HERRN IST UNSERE STÄRKE!“

Eigentlich hättet ihr gleich noch den Anfang dieses 10. Verses aus dem 8. Kapitel des Nehemia-Buch mit abdrucken können. Denn Nehemia gibt einen guten Rahmen für ein Hochzeitsfest ab. Dort spricht Nehemia: „Dieser Tag ist heilig dem Herrn Darum seid nicht traurig und weint nicht. Geht aber hin und kauft fette Speisen und trinkt süße Getränke und sendet davon auch denen, die nicht für sich bereitet haben.“ An fetten Speisen und süßen Getränken wird es nachher sicher nicht mangeln. Da ist es umso wichtiger, dass wir uns mit geöffneten Herzen und klarem Verstand daran machen, dieses Fest eurer Liebe noch einmal in eine andere Perspektive zu stellen.

„Die Freude am Herrn ist unsere Stärke.“ Stärke ist nötig, um das Leben in all seinen Anforderungen gut zu überstehen. Gerade auch, wenn es Neuanfänge zu bewältigen gibt. Und davon habt ihr gegenwärtig ja gleich mehrere zu bestehen. Nicht nur den Beginn eurer Ehe. Auch den beruflichen Neubeginn bei dir Markus. Und euer beiden noch ganz frischer Neuanfang in Landau.

Menschen stark zu machen, ist das Ziel jeder Erziehung. Stark nicht im Sinne der Muskelkraft, sondern stark - verstanden als Befähigung, sich den Herausforderungen des Lebens erfolgreich zu stellen. Stark machen wollte euch eure Eltern. Und stark machen wollt ihr euch also auch für eure Ehe. Für euer Leben zu zweit. Für euer Leben als Paar und als Familie.

Es gibt schöne Bilder für diese Stärke, die ihr euch wünscht. Nicht nur das mit den gelben Rüben. auf eurer Einladung. Sondern auch andere, tief verankerte Bilder. Das vom Schiff, das Wind und Welle trotzt und den sicheren Hafen erreicht. Oder das vom dicken Tau, das nicht reißt, auch wenn von beiden Seiten kräftig gezogen wird.

Zur Zeit Nehemias, in der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts vor Christus ist diese Stärke nötig, um ein zerstörtes Land und ein gebeuteltes, über lange Zeit verschlepptes Volk wieder aufzurichten. Diesen Menschen war ihre Stärke in jeder Hinsicht abhanden gekommen. Heimat und Selbstwertgefühl mussten gleichermaßen neu erworben, das verbogene Rückgrat neu gestärkt werden. Diese Stärke war nötig, um die Zukunft gewinnen und gestalten zu können.

Gut, wenn wir Wege finden, einer solchen Stärke teilhaftig werden zu können. Wie also kann man diese Stärke gewinnen, die ihr euch für eure Ehe wünscht. Ein paar Wege dazu möchte ich euch aufzeigen.

Stärke könnt ihr gewinnen, wenn ihr euch darauf einlasst, eure Ehe nicht als etwas Fertiges, jetzt gewissermaßen Abgeschlossenes zu betrachten, sondern als eine tagtägliche aufs Neue gestellte Gestaltungsaufgabe. Wenn ihr nicht fertig sein wollt miteinander, sondern offen bleibt für die tagtägliche Überraschung, vor der wir nicht nur nicht gefeit, sondern auf die wir geradezu angewiesen sind. Weil dann die Bilder, die wir voneinander haben, in sich zusammenfallen. Weil ihr bei aller Verbundenheit in Liebe unterscheidbar bleibt. Eigenständige Persönlichkeiten. Ihr könnt sicher sein: Ihr lernt am Leben und aneinander nicht aus. Und genau das macht euch stark.

Stärke könnt ihr gewinnen – und das ist der zweite Weg, den ich euch vorstellen möchte – wenn ihr eich in eurer Zweierbeziehung nicht genug sein. Wenn ihr eure Kontakte und eure Freundschaften pflegt. Wenn euch nicht nur Zeit für euch wichtig ist, sondern auch Zeit für andere. Gerade solche, die auch ganz anders sind. Die Offenheit für andere und anderes, auch die ertragene Fremdheit machen stark. Nur immer im eigenen Saft zu schmoren, lässt dagegen schwächeln.

Stärke gewinnen, das könnt ihr – und das hängt mit dem eben Gesagten zusammen – wenn ihr euch nicht absolut setzt. Wenn ihr offene Augen und offene Herzen behaltet für Menschen, die ganz anders leben. In einer anderen Form der Beziehung. Mit anderen Themen und Werten. Mit Prägungen und Erfahrungen, mit Hoffnungen und mit Enttäuschungen, die sie so, wie sie sind haben werden lassen. Und die den Grund in Frage stellen, auf dem ihr beide steht. Solche Stärke zu gewinnen, das ist gar nicht leicht.

Seine Freunde zu lieben und die, die einem vertraut sind, das ist das eine. Aber die befremdliche Andersartigkeit zu schätzen, das verlangt Anstrengung. Kann verunsichern. Und bedarf eben in ganz besonderer Weise der Stärke.

Stärke könnt ihr auch gewinnen – und jetzt kommt euer Trauspruch ins Spiel – wenn die Freude des Herrn eure Freude ist. Im Traugespräch haben wir darüber nachgedacht, ob die Freude des Herrn diejenige ist, die er an uns hat. Oder die, die wir an ihm haben. Die Lutherübersetzung entscheidet sich klar für das letztere. Geht also davon aus, dass es um unsere Freude an und über Gott geht.

Ich glaube, im Grundsatz ist beides richtig. Denn beide Formen der Freude sind so wenig voneinander zu trennen wie eure beiden Gelberüben. Gerade weil Gott uns spüren lässt, dass er Freude an uns hat, können wir diese Freude weitergeben. Und uns gewissermaßen zu dieser Freude verleiten lassen.

„Die Freude am Herrn ist unsere Stärke.“ Ganz schön anspruchsvoll ist dieses Programm. Und womöglich etwas missverständlich dazu. Schließlich sollt ihr nicht wie der Münchner im Himmel den ganzen Tag über Halleluja singen. Mit der Freude am Herrn ist eher eine Grundhaltung gemeint. Eine Lebenseinstellung, die auf dem Wissen beruht, dass wir nicht alles in der Hand haben. Schon gar nicht in der Liebe, die zwei Menschen verbindet. Eine Grundhaltung, die weiß, dass es ein großes Glück ist, wenn zwei sich finden, um sich zu lieben. Eine Grundhaltung der Dankbarkeit für das schon Erhaltene und der Offenheit für das Überraschende.

Die Freude am Herrn, sie wurzelt in der Einsicht, dass es gut ist, wenn ein anderer seinen Segen auf all unser Bemühen legt. Genau darum geht es auch in diesem Traugottesdienst. Ihr gebt euch aus der Hand, gebt euch in Gottes Hand. Damit ihr euer Miteinander wagen könnt. Ohne dabei die Balance zu verlieren.

Wir können aber genauso gut lesen: „Die Freude des Herrn ist eure Stärke.“ Also die Freude, die Gott selber an euch und an eurer Liebe hat. All unser Lieben, auch das, das zwei Eheleute miteinander verbindet speist sich gewissermaßen aus der großen Liebe, die Gott selber ist. Aus der Liebe, die gerade darin ihr Wesen hat, dass sie nicht bei sich bleiben will. Sondern die ihre Besonderheit darin hat, dass sie sich ausgießt und verteilt. Dass sie ansteckt und infiziert. Dass sie verwandelt, was festgefahren und verworren scheint.

Gott freut sich, wo immer Menschen der Liebe Raum geben. Gott freut sich heute über eure Liebe, liebe Meike und lieber Markus. Und Gott freut sich noch mehr, wenn auch eure Liebe mithilft, das Leben zum Fest werden zu lassen. Mit süßen Getränke und fetten Speisen. Aber vor allem mit jener Freude, die aus Gott kommt. Die euch stark machen will. In eurer Ehe. Und wo immer ihr der Schönheit des Lebens auf der Spur seid.

Damit die Freude des Herrn zu eurer Stärke werden kann, darum feiert ihr Gottesdienst. Darum feiern wir mir euch. Und darum wollen wir Gott auch um seinen Segen für euch bitten. „Er selbst kommt und entgegen. Die Zukunft ist sein Land!“ Das singen wir gleich im nächsten Lied. Und ich bin sicher, unter seinem Segen wird Gott euch sicher in das Land der Zukunft führen. Amen.
Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.