PREDIGT ÜBER MATTHÄUS 3,13-17
GEHALTEN AM SONNTAG, DEN 11. JANUAR 2009 (1.N.EPIPHANIAS)
IN DER AUFERSTEHUNGSKIRCHE IN FREIBURG

11.01.2009
Noch fällt vom Epiphaniasfest her weihnachtlicher Glanz auf den heutigen Sonntag. Vor fünf Tagen haben wir im Kirchenjahr das Epiphaniasfest gefeiert. Epiphanias heißt Erscheinung. Doch feiert die Kirche am 6. Januar, dem Epiphaniastag, nicht irgendwelche obskuren Erscheinungen, so wie wir dieses Wort gewöhnlich verstehen. Gefeiert wird die Erscheinung des Besonderen, des Unterscheidenden, ja des Göttlichen in dem, um dessen Geburt es an Weihnachten geht.

Dabei war der 6. Januar noch lange eher er zum Fest der Erscheinung wurde, bereits der Tag der Weihnacht. Viel länger schon als der 25. Dezember. Weihnachten und Epiphanias, das sind zwei Festtage in Konkurrenz. Zwei Daten, an denen sich Wesentliches des Lebens und der Bedeutung dieses Jesu festmacht.

Doch mit der Konkurrenz der beiden Termine allein ist es noch nicht getan. Gleich vier Anlässe gibt es, die mit dem Epiphaniasfest in Verbindung gebracht werden. Vier Anlässe in Konkurrenz. Vier Möglichkeiten, die Erscheinung des Göttlichen im Kind der Weihnacht wahrzunehmen. Vier Ereignisse im Leben Jesu, die mit diesem Tag in Verbindung gebracht werden. Vier Möglichkeiten, das Kind in der Krippe noch einmal mit ganz anderen Augen wahrzunehmen.

Da ist zunächst eben das Fest der Geburt Christi selber. Daran habe ich eben schon erinnert. Die armenische Kirche hat diesen Termin bis heute nicht aufgegeben.

Ein zweites Ereignis macht das sich am Epiphanisastag fest: das Erscheinen der Magier aus dem Osten. Drei Könige sind im Laufe der Jahrhunderte aus ihnen geworden, weil sie drei Geschenke mitbringen Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und Dreikönig wird dieser Tag im Volksmund, geprägt von der römisch-katholischen Tradition bis heute genannt und er beschert uns in diesem Teil der Republik bis heute einen gesetzlichen Feiertag. Und wenn wir Glück haben, auch noch die Sternsinger an der Haustür.

Menschen aus der Exotik waren diese drei schon damals, Fremde, die aus den Sternen die Besonderheit dieses Kindes ablesen; die spüren, dass sich mit diesem Kind eine Macht zu erkennen geben will, die den Mächtigen der damaligen Zeit sehr gefährlich werden konnte.

Epiphanias – das war zum dritten - auch der Tag des Weinwunders zu Kana. “Dies war das erste Zeichen, das Jesus tat“, heißt es am Ende dieser Geschichte im Johannesevangelium. Jesus gibt sich als der zu erkennen, der das fade Wasser unseres täglichen Einerlei in den vollmundigen Wein der Lebensfreude verwandelt.

Und dann ist dieser Epiphaniastag auch noch der Tag der Taufe Jesu. Damit dieser Zusammenhang nicht ganz verloren geht, ist der erste Sonntag nach dem 6. Januar zum Gedenktag der Taufe Jesu erklärt worden. Das Evangelium dieses Tages ist heute auch der Predigttext. Hären wir, wie Matthäus uns im 3. Kapitel, in den Versen 13-17 davon berichtet. Danach singen wir die ersten beiden Verse aus dem Lied Jesus ist kommen, im Gesangbuch die Nr. 66.

Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's geschehen. Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

EG 66,1+2: Jesus ist kommen

Der Bericht des Matthäus verfehlt seine Wirkung nicht, liebe Gemeinde. Er vermag uns gerade anzurühren. Da tritt der, aus dessen Gesicht die Menschen seit zwei Jahrtausenden die Gegenwart Gottes entgegenleuchtet, in die Reihe seiner Mitmenschen. Will sich taufen lassen wie alle anderen, denen dieser Akt die Perspektive eines Neuanfangs ermöglichen soll. Und er lässt sich von diesem Vorhaben auch nicht abbringen, als Johannes ihn auf die nötige Umkehrung der Verhältnisse hinweist. “Nicht ich müsste dich taufen, sondern umgekehrt. Ich hätte es selber nötig, von dir getauft zu werden.“

Wo einer so spricht wie Johannes, da ist die Rangordnung klar. Da gibt es, so hat es den Anschein, keine Konkurrenz. Johannes, das ist der, der einen Größeren ankündigt. Er ist der Vorläufer; Jesus ist der, auf den alle warten. So haben wir es in der Kirche seit Jahrhunderten gelernt. Und kein Bild bringt dies besser zum Ausdruck als die Tafel von Matthias Gründewald im Unterlindenmuseum in Colmar. Johannes zeigt mit dem überlangen Finger auf den, auf den es am Ende ankommt. “Der muß wachsen. Ich muss abnehmen!“ Hier also fällt die weihnachtliiche Konkurrenz in sich zusammen.

Nur - so einfach hat sich diese Beziehung zunächst nicht dargestellt. Der Anfang der Weihnachtsgeschichte - vor allem nach dem Bericht des Evangelisten Lukas - lässt noch etwas ganz anderes durchscheinen. Johannes und Jesus, das sind – ganz ohne Zweifel - Konkurrenten.

Kunstvoll sind beim Evangelisten Lukas bereits die beiden Geburtsgeschichten ineinander verwoben. Zwei Frauen, die beide keine Kinder bekommen können. Die eine, Elisabeth, die Mutter des Johannes ist schon viel zu alt. Die andere, Maria, die Mutter Jesu, lebte mit Josef noch nicht in einer legalisierten Beziehung.

Zu Zacharias kommt der Engel Gabriel, um die wundersame Geburt anzukündigen. Zu Maria kommt er auch. Beide Kinder, so wird berichtet, waren schon vor ihrer Geburt für großen Aufgaben zugunsten ihres Volkes bestimmt. Beide unter wundersamen Zeichen. Zacharias, der wortgewandte Priester, verliert über Monate seine Sprache. Maria, das unbedarfte Mädchen, findet urplötzlich in der Sprache uralten Tradition ihres Volkes Worte für einen gewaltigen Lobgesang: das Magnificat. Zacharias steht ihr, kaum hat er die Sprache wieder gefunden, mit dem Benedictus, nicht nach.

Programmatisch sind beide Namen: Johannes, auf deutsch „Gott ist gnädig“, soll der eine auf Geheiß des Engels genannt werden. Jesus, Jeschua, “göttliche Hilfe”, der andere. Und um die Symmetrie vollzumachen, werden die beiden Mütter gleich noch als nahe Verwandte, konkret als Cousinen vorgestellt.

Jesus und Johannes – zwei große Konkurrenten. Und das nicht nur durch die Umstände ihrer Geburt. Konkurrenten sind sie auch später, nachdem sie längst erwachsen geworden sind. Beide ziehen mit ihren Anhängern durch die Gegend. Beide haben Jünger. Ja, es ist nicht einmal völlig aus der Welt, dass Jesus zunächst selber ein Jünger des Johannes gewesen ist.

Doch war Johannes aus ganz anderem Holz geschnitzt als Jesus. Jobannes bevorzugt die Wüste. Er ist ein Asket. Wer in den Genuss seiner Taufe kommen will, muss sich zu ihm auf den Weg machen. Weit hinaus aus den schützenden Mauern der Städte. Er hat den Menschen einen Sinneswandel ans Herz gelegt. Sie zu Buße und Umkehr aufgefordert. Ihnen Standpauken und Strafpredigten gehalten. Die Taufe des Johannes war die Taufe zu einer neuen und einer besseren Ethik. “Ihr könnt anders leben!“, ruft Johannes den Menschen zugerufen. “Ihr müsst es nur wollen. Und es versuchen!“

Jesus hat diese Taufe nicht abgelehnt. Leben in der Fülle seiner Möglichkeiten, das ist auch sein Thema. Zwar zieht es auch ihn immer wieder in die Wüste. Aber ein Asket ist er nicht. Im Gegenteil: Als Fresser und Weinsäufer verunglimpfen ihn seine Gegner. Jesus zieht die Menschen nicht zu sich in unwegsame Landschaft. Ihn zieht es zu den Menschen. Dorthin, wo sie leben.

Und er nimmt noch einmal einen ganz anderen, viel radikaleren Ausgangspunkt ein als Johannes. Anders zu leben, das ist nicht nur eine Möglichkeit. Es ist Wirklichkeit. In ihm. Seiner bedingungslosen Zuwendung zu den Mitmenschen. “Heute sind die Verheißungen Gottes erfüllt vor euren Augen und Ohren.“ Das ist das Thema der ersten uns bekannten Predigt Jesu. Er spricht über einen Text aus dem Jesajabuch: “Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden gesund. Und Armen wird die Gute Nachricht verkündigt.“ Und eben diese Verse lässt er Johannes als Antwort übermitteln, als der an ihm irre wird. Als der ihn fragen lässt: “Bist du denn nun wirklich der, auf den die Menschen schon so lange warten?“

Jesus und Johannes. Zwei große Konkurrenten. “Du mußt, darum sollst du!‘ sagt Johannes. “Du kannst, weil Gottes Geist dich dazu befähigt. Weil Gott selbst dich verwandelt“, sagt Jesus.

Jesus und Johannes - beiden bringt ihre Botschaft am Ende den Tod. Johannes wird hingerichtet, weil er die moralische Skrupellosigkeit seines Landesherrn Herodes öffentlich geißelt. Jesus wird hingerichtet, weil sein Programm die bestehenden Machtverhältnisse auf den Kopf stellt. “Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist. Und gebt Gott, was Gottes ist!“ So wird er sich einige Monate nach seiner Taufe unüberhörbar und öffentlich äußern. Und es besteht kein Zweifel, wie Jesus hier die Prioritäten verteilt haben möchte.

Darum lässt Jesus sich taufen wie alle anderen. Lässt an sich das Zeichen geschehen, das Gottes Gegenwart zum Leuchten bringen kann. Mitten in der Welt. Und wird so selber zum Zeichen der unvermittelten Zuwendung Gottes. “Dies ist mein lieber Sohn. Und ihr alle meine geliebten Söhne und Töchter. Wenn ihr euch an ihm orientiert. Wenn ihr euch einlasst auf die Zeichen des kommenden Reiches Gottes mitten unter euch.“

Die Jahrhunderte haben die Gewichte zwischen Jesus und Johannes gehörig verschoben. Der Stern des Johannes geriet zusehends ins Sinken - im Grunde schon seit den Tagen des Sternes von Bethlehem. Und der Stern Jesu bleibt unübersehbar am Himmel stehen seit der Botschaft des Ostermorgen: “Er ist nicht hier. Er lebt. Bei Gott. Und mitten unter euch!“

Von Johannes bleibt am Ende nur der Zeigefinger. Der Hinweis auf den, der in seiner Person zum Urbild des neuen Lebens wird. Dass wir inder Kirche taufen - bis heute. Das ist das bleibende Verdienst des Johannes. Ihm gebührt der Dank für das Zeichen des Wassers. Jesus gebührt der Dank für die Verwandlung dieses Wassers in den Wein neuer Lebensmöglichkeiten. Bei Gott und durch Gott. Und gerade dadurch unter den Menschen.

Anders leben - das können wir. Wenn wir uns abnehmen lassen, was uns beschwert - jenseits dessen, was wir tragen können.

Anders leben – das können wir - wenn wir uns einlassen auf den, der was uns zu ungeahnten Möglichkeiten befreit.

Anders leben - das können wir, wenn wir uns begeistern lassen von Gottes gutem Geist, der uns die Angst nimmt, in die Irre zu gehen. Und der uns immer wieder neu zum Wagnis des Lebens verlockt. Und aller unseligen Konkurrenz am Ende den Garaus machen will. Amen.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.