PREDIGT ÜBER MATTHÄUS 5,14-16
IM ÖKUMENISCHEN GOTTESDIENST
ANLÄSSLICH DER BRUCHSALER HEIMATTAGE
IM GOTTESDIENST AM SONNTAG, DEN 27. SEPTEMBER 2015
IN DER MICHAELSKAPELLE BZW. DER KATH. PFARRKIRCHE
IN UNTERGROMBACH

27.09.2015
Liebe Gemeinde!
Wer zur Kirche kommt, kommt nach Hause! Schon vor Jahrhunderten wird es Menschen so gegangen sein. Wenn sie hierher zurückgekehrt sind von einer Reise. Wenn sich dann der vertraute Michaelsberg aus dem Horizont heraus gelöst hat und sie dann die Kapelle oben erkannt haben, dann waren sie sicher: Jetzt sind wir bald am Ziel.

Heimat, das ist der vertraute Ort. Die bergende Umgebung. Die Wärme des Vertrauten, die einem schon aus der Ferne entgegenleuchtet. Wie die „Stadt auf dem Berg“, von der wir eben in der Lesung aus der Bergpredigt gehört haben.

Wer zur Kirche kommt, kommt nach Hause! Unzähligen Menschen weltweit geht es so. Seit zweitausend Jahren. An jedem Sonntag. Und wann immer Menschen Gottesdienst feiern. Da ist die Erwartung, auf Menschen zu treffen, die man kennt. Oder auf Menschen, die einem irgendwie nahe sind, denen ich mich verbunden fühle, auch wenn ich ihnen zum ersten Mal begegne.

Heimat, das sind die Menschen, die mit mir unterwegs sind. Die gemeinsame Geschichte in der Familie Gottes. Verbindend über Jahrhunderte. Und über alle Kontinente hinweg. Verbunden durch das „gemeinsame Haus“, in dem diese Geschichten leuchten – wie die Lichter in der Lesung, die wir eben gehört haben.

Wer zur Kirche kommt, kommt nach Hause! Zu Hause, das ist der Schatz an Verbindendem. Die Möglichkeit, im Gespräch zu bleiben. Der gelungene Versuch, einen Gesprächsfaden wieder aufzunehmen, der lange einfach liegen geblieben war. Ein gegenseitiges Verstehen, das sehr tief reicht. Weit unter glänzenden Oberflächen der Moden der Gegenwart.

Heimat, das ist der gemeinsame Schatz dessen, was Menschen verbindet. In den Möglichkeiten der Sprache. In der Kultur. In dem, wie wir die Welt verstehen. Ein Verstehen, dass uns den Sinn der Welt erhellt, wie das Licht auf dem Leuchter, von dem die Lesung eben gesprochen hat.

Wer zur Kirche kommt, kommt nach Hause! In diesen Tagen gilt es für viele Tausende , ja muss es gelten für all diejenigen, denen man ihre Heimat genommen hat. Die ihre Heimat fürs erste verloren haben. Durch Krieg und Gewalt. Durch weggebrochene Perspektiven, wie das Leben weitergehen könnte. Wie Leben den Namen Leben überhaupt noch verdient.

Heimat, das kann auch geliehene Heimat sein. Ersatz-Heimat. Heimat in der Fremde. Heimat, die vorübergehend Schutz gewährt. Ein Dach über dem Kopf. Heimat auf Zeit. Und niemand weiß, für wie lange. Sichere Heimat, wenn man der Verfolgung und den Schleppern erst einmal entronnen ist. Neue Heimat sicher für all die vielen, die die alte nach wie vor in ihrem Herzen tragen.

Kein Mensch gibt seine Heimat freiwillig auf. Aber Leben, das ist manchmal auch ein Aneinander-Reihenverschiedener Heimaten. Und unterschiedlicher Heimaten. Ein sich unfreiwillig Niederlassen in fremder Heimat.

„Das Licht leuchtet allen, die im Hause sind.“ So haben wir’s in der Lesung gehört. Es gibt kein Licht, das nur uns selber leuchtet. Und das um die anderen einen Bogen macht. Das Licht der Guten Nachricht Gottes schon gar nicht.

Aus der Bergpredigt stammt das Evangelium für diesen ökumenischen Gottesdienst. Und damit aus einer der Hauptlichtquellen des Neuen Testaments. „Ihr seid das Licht der Welt! Die Stadt auf dem Berg kann nicht verborgen bleiben.“ Und sie soll es wohl auch gar nicht. Sonst hätte man die Stadt nicht auf den Berg gebaut. Sonst hätten ihre Vorfahren auch diese Kirche, diese Michaelskapelle nicht auf dem Berg gebaut.

Öfter noch als auf einem Berg wurden Städte darum zunächst in der Ebene gebaut. An den Kreuzungen der großen Handelsstraßen. An Furten, die einen Fluss überquerbar gemacht haben. An Orten, die sich als geeignet erwiesen haben für sicheres Wohnen. Oder für den Bau eines Hafens. Städte sollten die Menschen schützen. Früher nicht selten durch eine Mauer.

Städte sollten die Menschen aber auch verbinden. Sie sollten ein guter Ausgangspunkt sein, um die Welt in Augenschein zu nehmen. Um Handel zu treiben. Und um den eigenen Wohlstand zur Schau zu stellen. Sie sollten Gästen Unterschlupf gewähren, wenn Menschen auf dem Weg gewesen sind, die sie von ihrer Heimat weg oder eben wieder dahin zurück gebracht haben.

Städte sie sollen Menschen Heimat gewähren. Durch die Möglichkeit eines geregelten und attraktiven Miteinanders. Das ist heute nicht anderes als vor Jahrhunderten.

Sichtbar, sichtbar für andere, sollte vor allem sein, worin eine Stadt, ein Ort, sich selber gründet. Sichtbar sein sollte die Verbindung zwischen Himmel und Erde. Die Kirchtürme war dazu das unübersehbare Symbol. Ob in Freiburg, Straßburg oder Köln mit ihren Münstern. Ob in Karlsruhe, Bruchsal oder Untergrombach mit den jeweiligen Kirchen. Hoch in den Himmel hineinragend. Schon von weitem unübersehbar für alle, die sich der Stadt nähern. Das erste, was Menschen von einer Stadt sehen sollten, das war das, was den Menschen in ihr heilig ist.

Das ist heute im Grund auch nicht sehr viel anders. Nur ist nicht selten anderes heiliger als Gott. Und – denkt man etwa an Frankfurt - dann sind die Tempel des Finanzwesens, die Banken, allemal höher als die höchsten Kirchtürme. Und der berühmte Satz aus Luthers Großen Katechismus kommt mir in den Sinn: „Woran du dein Herz hängst, das ist in Wahrheit dein Gott!“

Doch zurück zu den heiligen Orten des Gottesglaubens. Höher als die Türme in der Ebene waren und sind die Erhebungen um die Ortschaften herum. Höher als die Ebene sind die Berge. Die Berge waren der Ort, an dem sich die Menschen Gott näher gefühlt haben. Die Heiligen Orte, die Heiligtümer, sie wurden auf dem Berg gebaut. Und nicht selten schon lange ehe es das Christentum gegeben hat.

Kapellen und Kirchen entstehen auf dem Grund, der den Menschen schon lange heilig ist. Im Bild des Evangeliums für diesen Gottesdienst gesprochen. Die christlichen Kerzen auf dem „Leuchter im Haus der Welt“ ersetzten die der früheren Religionen. Und nicht selten hat sich das Licht der ersten Kapelle irgendwann verbraucht. Und die baufällig oder zu klein gewordene Kapelle wurde durch einen Nachfolgebau ersetzt.

Auf dem Michaelsberg ist das auch nicht anders gewesen. In seiner Geschichte, die nach Jahrtausenden zählt. Und die einer ganzen Kulturepoche einen eigenen, mit dem Michaelsberg verbundenen Namen gegeben hat.

Doch das Licht der Welt – das sind nicht nur die Kirchen! Kirchen sind Wegweiser zum eigentlichen Licht. Und das „Licht der Welt“ – recht verstanden - das sind wir nicht zuletzt auch selber. „Ihr seid das Licht der Welt!“ Frauen und Männer. Junge und Alte. Katholiken und Protestanten. Gott Suchende und Gott Findende. Die von nah. Und die von fern.

Das Licht der Welt – das sind wir alle. Einander verbunden in der Suche nach derselben Heimat – ohne dass wir diese Heimat alle am selben Ort finden. Verbunden aber in der Ausrichtung auf dasselbe Ziel.

Das Licht der Welt – das sind wir alle. Leuchten kann unser Licht nur, wenn wir es nicht unter den Scheffel stellen. Leuchten kann unser Licht nur, wenn wir ihm die Möglichkeit geben, gesehen zu werden. Ob im Einsatz für mehr Gerechtigkeit für die Bauern hier in der Region vor 500 Jahren. Oder im Angebot neuer Heimat in diesen Tagen und Wochen – beim einen wie beim anderen können sie hier in Untergrombach, in Bruchsal und darüber hinaus, mit eigenen Erfahrungen aufwarten!

Das Licht der Welt – das sind wir alle. Orientierung können wir geben, wenn wir die Orte finden, an denen wir gesehen werden. Orientierung können wir geben, wenn wir auch von den steilen Wegen nicht zurückschrecken.

Ich glaube, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen dieser Wochen und Monate – sie können uns zum Berg werden, der gerade auch unser Licht, das Licht der Kirchen zum Leuchten bringt. Die Menschen sehen sehr genau hin, ob unsere Türen offen sind oder verschlossen. Und wenn wir Menschen Heimat ermöglichen, kann das für viele andere eine ansteckende Wirkung haben. Ob auf dem Leuchter ein Licht die Welt heller macht oder ob eine Funzel allmählich ganz verlöscht – das macht einen großen Unterschied.

Das Licht der Welt – das sind wir alle. Und umso schöner und heller wird dieses Licht wahrgenommen, je weiter sein Farbenspektrum ist. Violett, blau, grün, gelb, orange, rot – all diese Farbe machen das sichtbare Licht aus. Evangelisch, katholisch, orthodox, charismatisch, ob kleine oder große Kirchen, weltweit verortet und lokal verbunden. Die Farben des Lichtes sind weit gestreut – und leuchten doch gemeinsam verbunden. Auch bei ihnen hier – in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Gemeinden in Bruchsal oder in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Baden-Württemberg, wo wir diese Woche einen armenischen Priester in den Vorstand gewählt haben.

Das Licht der Welt!
Dass es leuchtet, das ist das Wichtigste.
Dass es leuchtet, das macht nur Sinn, wenn andere es auch sehen.
Dass es leuchtet, das lässt auch die Fremde zur Heimat werden.
Wer zur Kirche kommt, kommt nach Hause. Wer zu uns kommt, soll bei uns Heimat finden. Amen
Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.