Corona-Krise und Gottesglaube

02.03.2020
Als ob wir mit dem Drama der Gefluechteten an der tuerkisch-griechischen Grenze, die Europa wieder einmal so schlecht und unmenschlich aussehen lassen, nicht genug haetten, um uns zu besinnen, was dran ist und was uns wahrhaftig gut zu Gesicht stuende! Dazu jetzt mit immer groesserer Vehemenz: Corona! Kein Tag ohne neue Nachrichten zum Corona-Virus. Wissenschaftlich korrekt Sars-CoV-2 oder manchmal auch Covid-19. Kaum noch eine Begegnung, irgendwo in der Stadt beim Einkaufen, im Bus oder im Zug, in der nicht etwas mitschwingt von der Sorge: Ist da womoeglich ein Virentraeger dabei? Bin ich gar selber bald betroffen? Und wenn da erst einer oder eine hustet, dann gibts boese Blicke und ein schnelles Wegruecken.

Die Zahl derer, die sorglos einfach den Kopf in den Sand stecken, broeckelt. Immerhin! Auf der anderen Seite nimmt die Panik zu. Auch die Stigmatisierung von Menschen, die die Ursache allen Uebels schon ausgemacht haben. Wer aus Asien kommt, ist schnell verdaechtig. Wird nicht selten zur Zielscheibe rassistischer Anfeindungen. Manchmal reicht aber auch schon der Hinweis, den letzten Urlaub in Italien zugebracht zu haben. Wo ein bedrohliches Uebel auftritt, muss ein Suendenbock her. Und dann sind da auch noch die Welterklaerer von den Raendern der Religion, die meinen, diese Krankheit sei eine Strafe Gottes.

So heftig wir von dieser Corona-Welle getroffen werden. Es ist ein Geschehen, das unter den Bedingungen einer globalen Welt zu den nicht auszuschliessenden Moeglichkeiten gehoert. Was das Auftreten dieses Virus angeht. Was dessen Verbreitung betrifft. Auch was die heftige Erinnerung an die Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens angeht. Es ist schon gar nicht das Werk irgendeines Gottes, der nach der ersten Sintflut nun wieder eine zweite schickt.

Kein Zweifel: Der Corona-Virus und seine gravierenden Folgen fordern uns heraus. Den wissenschaftlichen Forschergeist, um einen Impfstoff zu finden. Den verantwortlichen Umgang miteinander. Auch den zeitweiligen Verzicht auf geliebte Veranstaltungsformate. Bei Sport und Unterhaltung. Womoeglich auch bei Gottesdiensten.

Aber wir muessen Gott deshalb nicht aussen vor lassen. Zukunft hat Gott diesem Planeten und allen, die auf ihm leben, zugesagt. Solange die Erde steht, werden Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht nicht aufhoeren. Das war Gottes grosser Deal mit den Menschen, Gottes bleibende, lebensfreundliche Zusage nach der grossen Flut. Aber wir Menschen muessen das unsere mitbeitragen. Muessen die Erde zu unserem Schonraum erklaeren. Muessen unserer Bewahrungsverantwortung gerecht werden.

Mitnichten deutet sich der Untergang der Welt an - da gibt es andere, gefaehrlichere Themen, Gott seis geklagt -, sondern die Notwendigkeit der Intensivierung unserer Fuersorge fuer diesen Lebensraum. Weil nichts selbstverstaendlich ist. Leben ist ein Geschenk. Eines, das nicht selbstverstaendlich ist und mit dem wir sorgsam umgehen muessen. Diese Einsicht bleibt. Oder muss neu in Erinnerung gerufen werden. Auch dann, wenn die Corona-Krise ueberstanden ist. Dann womoeglich erst recht!

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.