Wort-Impulse zum 2. Weihnachtsfeiertag

26.12.2020

Eingangsgebet
Maria hast du aus den kleinen Leuten ausgewählt und mit einer großen Aufgabe betraut.
Die Hirten draußen an den Rändern der Gesellschaft hatte niemand im Blick.
Die Engel hast du aus ihrer himmlischen Ruhe aufgeschreckt.
Ein Kind, geboren in einem zugigen Bretterverschlag, bringt die Mächtigen zum Zittern – damals schon und heute immer noch.
Wie sollte dir, Gott, unmöglich sein, auch mein kleines Leben groß zu machen! Amen.

Michel Corrette: Noël allemand
Weihnachtskonzert für Blockflöte und Orgel
über „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“: Adagio – Allegro

Wort-Impuls 1: Macht - Ohnmacht
„Er stützt die Gewaltigen von Thron und erhöht die Niedrigen.“
Augustus sitzt scheinbar fest im Sattel. Er hat alle Macht der Welt. Er schiebt Menschen hin und her wie Figuren in einem Spiel. Ihm geht’s ums Geld. Und darum müssen die Menschen sich eintragen in seine Steuerlisten. Am Ort ihrer Herkunft.

Maria und Joseph müssen von Nazareth nach Bethlehem. Ihre Reise kommt sie teuer zu stehen. Eine Unterkunft so recht und schlecht. Ein Kind unter schwierigen Bedingungen zur Welt gekommen. Die Prognosen verheißen nichts Gutes.

Hätte der Kaiser ein Einsehen – er würde die beiden zu Hause lassen. Mitleid ist keine ihrer bevorzugten Eigenschaften. Aber die Herrschaft der Kaiser ist immer nur von begrenzter Dauer. Weil Gott den Abstand zur Welt aufgibt.

Auch Kaiser können ihre Macht nicht mit ins Grab nehmen. Sie müssen sie irgendwann teilen oder abgeben. Am Ende kommt es auf die Kaiser und ihre Nachfolger in unseren Tragen nicht mehr an. Ihre Zeit ist von begrenzter Dauer. Auch heute ist das noch so. Gottes Kraft ist in denen zu spüren, die keine Macht haben. Seit der ersten heiligen Nacht ist das so. Gottseidank!

EG 30,1-3: Es ist ein Ros entsprungen

Wort-Impuls 2: Gut und Böse
„Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer!“
Könige kommen. Könige gehen. Bei Herodes ist das nicht anders. Erst versetzt er die Menschen in Angst und Schrecken. Er lässt töten, ohne Rücksicht auf Verluste. Am Ende kommt er selber unter die Räder. Wenn wir uns an ihn erinnern, taucht er als Bösewicht in unseren Gedanken auf.

Herodes hat nichts mehr zu erhoffen. Seine illustren Gäste, die Sterndeuter aus den Osten, lassen ihn links liegen. Und wählen für den Weg zurück nach Hause eine andere Strecke. Sein Plan, mögliche Konkurrenten um die Macht aus der Welt zu schaffen, misslingt. Dieses eine Kind entkommt.

Von einem wie ihm haben wir Menschen nichts zu erhoffen. Unsere Hoffnungen ruhen auf einem anderen. Sie ruhen auf einem Kind, das so ganz anders daherkommt. Der Gerechtigkeit wird es zum Durchbruch verhelfen. Denen, die sonst niemanden haben, steht es zur Seite.

Als ein König ganz anderer Art gibt sich dieses Kind zu erkennen. Weil Gott den Abstand zur Erde aufgibt. Und unübersehbar nicht auf seine Macht setzt. Weil Gott sich einmischt in die todbringenden Scharmützel dieser Welt.

Nicht immer können wir gut und böse unterscheiden. Doch wir können uns dennoch nicht heraushalten, wenn wir wahrnehmen, was Menschen anderen antun.

Wie eine Zeitansage ist dieses Kind für uns. Es erinnert uns daran, was jetzt dran ist. Wo wir zu reden und wo wir zu schweigen haben. Wo es ums Beten geht. Und wo um das Tun des Guten und Gerechten. Seit der ersten heiligen Nacht ist das so. Gottseidank!

EG 37: Ich steh an deiner Krippen hier (Satz: Johann Sebastian Bach)

Wort-Impuls 3: Fern und nah
Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des Herrn Lob verkündigen. 
Niemand hatte sie auf dem Plan! Sie leben außerhalb des vertrauten Horizontes. Weit, weit weg. Sie leben in anderen Sphären. Reiche Männer aus fernen Landen. Im Himmel kennen sie sich besser aus als auf der Erde. Die Fixpunkte ihres Lebens, das sind die Sterne.

Ein Stern reißt sie aus ihrem bisherigen Leben heraus. Haben sie ihn dieser Tage auch gesehen? Im südwestlichen Sternenhimmel? Jupiter und Saturn – so eng zusammen wie erst in 40 Jahren wieder. Die große Konjunktion, wie die Himmelsgelehrten dieses Schauspiel nennen. Uns bringt nichts mehr wirklich aus der Ruhe. Uns lässt nichts mehr aufbrechen und das Vertraute hinter uns lassen.

Die drei haben sich das Staunen bewahrt. Wollen der Ursache dieses himmlischen Schauspiels auf den Grund gehen. Ich bin mir ganz sicher: Sie erwarten das irdische Gegenüber zu diesem himmlischen Schauspiel. Der Herrscher des Himmels – mitten auf der Erde. Mitten unter uns.

Ihre Erwartung trügt nicht. Aber dennoch kommt alles ganz anders. Wahrhaftig: Gott gibt den Abstand zu den Menschen auf. Nimmt Wohnung in ihrer Mitte. Aber nicht in einem Palast. Sondern in einem Bretterverschlag. Alle, die den Weg dahin finden, gehen als Veränderte wieder fort. Singen neue Lieder. Seit der ersten heiligen Nacht ist das so. Gottseidank!

Ein neues Lied hören sie jetzt auch. Das Weihnachtslied des Jahres 2020. Detlev Helmer hat mich ermutigt, einen Text zu schreiben. Und hat dann die Worte selber mit den passenden Tönen versehen. Vierstimmig. Vielstimmig. So ist das Lied vom Weihnachtssegen entstanden. Hören sie selber!

„Lied vom Weihnachtssegen“
(Text: Traugott Schächtele, Melodie: Detlev Helmer)

Strophen 1+2
Ich schau, mein Gott, dir selber ins Gesicht,
wenn ich dies ärmlich‘ Kind der Weihnacht sehe.
Im Schein der Engel strahlt dein Hoffnungslicht,
auch auf den Wegen, die beschwert ich gehe.
Ganz neu kann ich den Blick ins Leben wagen,
weil Freudenworte mich durchs Leben tragen.

Aus fernen Landen kamen dir zu Ehr
die weisen Deuter deiner Himmelszeichen.
Und strahlend heller Glanz im Sternenmeer
lässt sie von dir beschützt ihr Ziel erreichen.
Voll Mut will ich den neuen Ufern trauen
und auch am fremden Ort mir Zelte bauen.

Wort-Impuls 4: Himmel und Erde
Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Großes Theater ist das, was sich da abspielt in tiefsten Nacht - draußen vor der Stadt. Die Bühne dicht gefüllt. Kein Abstand von einem Himmelsboten zum Nächsten. Sie stehen so, wie es in anderen Jahren in der heiligen Nacht in den Kirchen zugeht. Und sie singen so, wie wir es uns derzeit verwehrt ist.

Der Regisseur dieses Welttheaters zieht alle Register seiner Möglichkeiten. In Piano und in forte. Solistisch und im Chor. Im Himmel und auf der Erde.

Die Message übersteigt alles, was Menschen sonst gehört haben. Oben im Himmel – das nie endende Lob Gottes: Ehre sei Gott in der Höhe! Unten auf der Erde: „Und Frieden bei den Menschen seines Wohlgefallens!“ Der ewige Frieden. Viel länger als die Pax Augusta, die der Kaiser der Weihnacht ermöglicht haben soll. Viel grundlegender als der ewige Frieden, den Immanuel Kant in der Zukunft verwirklicht sehen möchte. Frieden auf Erden bei den Menschen, an denen Gott seine Freude haben kann.

Himmel und Erde im Zustand der Entsprechung. Himmlisches Gotteslob und irdischer Frieden gehören untrennbar zusammen. Gott gibt den Abstand zwischen Himmel und Erde auf. Beide kommen nicht mehr voneinander los. Seit der ersten heiligen Nacht ist das so. Und an uns liegt es, dass es auch weiter so bleibt. Und daran, dass Gott seinen Segen dazu gibt. Amen.

Gottes neue Lieder für die Erde klingen bis heute weiter. Und auch neue Lied für diese Weihnacht ist nicht zu Ende. Noch einmal lade ich sie ein zu hören.

„Lied vom Weihnachtssegen“
(Text: Traugott Schächtele, Melodie: Detlev Helmer)

Strophen 3+4
Augustus schickt die Menschen durch die Welt.
Der Armen Schicksal macht ihm keine Sorgen.
Ihn kümmert nur die Macht. Auf freiem Feld
bleibt oft der Schlafplatz nur, ihm ist’s verborgen.
Mit Menschen guten Willens mich vernetzen
will ich, und bösem Treiben Grenzen setzen.

Ein Engel achtsam mit Maria spricht.
Im Traum kann Josef gute Zukunft schauen.
Die Hirten blendet nachts der Engel Licht,
ihr Friedenslied lässt sie dem Leben trauen.
Gott gibt den Abstand auf, kommt mir entgegen
und macht mich kühn - was für ein Weihnachtssegen!

 

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.