Predigt im EKIBA-Streaming-Gottesdienst
am Sonntag, den 12. April 2020 (Ostern) in der Kreuzkirche in Bretten

12.04.2020

Liebe Gemeinde

Endlich Ostern! Wie in kaum einem anderen Jahr zuvor habe ich dieses Fest richtig herbeigesehnt. Hinter mir lassen, was mich die letzten Wochen belastet und mein Leben in Gefahr gebracht hat. Mich mit gestärkter Hoffnung auf neue Möglichkeiten einer freizügigeren Lebensgestaltung auf den Weg in die Zukunft machen. Frühsommertage, die ich im Freien genießen kann. Die Sorge um die Gesundheit - meine und die der anderen – lässt das fürs Erste immer noch nicht zu.

Endlich Ostern! Die Frauen, von denen im Oster-Evangelium die Rede war, haben davon zunächst wohl auch nichts gespürt. Das leere Grab versetzt sie in Angst und Schrecken. Ihr Weg in die Zukunft hat noch nicht begonnen.

Endlich Ostern! Das Lied vom Sieg des Lebens über den Tod singen. Mit unterschiedlichen Stimmen. An unterschiedlichen Orten. Aber doch von den gleichen Tönen österlicher Freude bestimmt. Einen Anklang dieser Osterfreude konnten sie eben im letzten Lied wahrnehmen.

Ostern – das ist das große Fest an der Schnittstelle zweier Wirklichkeiten. Der Wirklichkeit des Alltags. Mit all dem, womit ich mich tagtäglich auseinandersetzen. Und dieser anderen österlichen Wirklichkeit, die aus den Angeln hebt, was mich hindert, dem Leben sein Recht zu lassen.

Ostern - es ist das Fest, in dem wir feiern, dass die Lebendigkeit Gottes einbricht in die Welt, in der wir leben. Die Welt, in der die Begrenztheit unserer Möglichkeiten ein ums andere Mal ihr Recht einfordert. In den tödlichen Spielen von Krieg und Gewalt. Im tagtäglichen Bemühen, der Macht dieses Virus Grenzen zu setzen. In der Verletzlichkeit und Endlichkeit unseres Lebens.

Ostern – mit dem Entsetzen im Angesicht des leeren Grabes kann es nicht sein Bewenden haben. Das haben schon die ersten Leserinnen und Leser des Markus-Evangeliums gespürt. Sie schreiben das Evangelium fort. Formulieren einen neuen Schluss, der in der Gewissheit der Auferstehung endet. 

Ein anderer österlicher Schluss, eine andere Form, aus dem vorösterlichen Suchen und Fragen herauszukommen, findet sich bei Paulus. In seinem großen Brief an die Gemeinde in Korinth gibt es ein überschwängliches Osterkapitel. Die großen Anfragen, ob Ostern denn überhaupt eine Möglichkeit sei - eine Denkmöglichkeit oder gar eine Möglichkeit des Glaubens – Paulus bringen sie zu einem Glanzstück frühchristlicher Theologie. Ich lasse sie in diese österliche Symphonie hineinhören:

(Predigttext: 1. Korinther 15,19-22) / Basis-Bibel)

Wenn wir nur für das jetzige Leben auf Christus hoffen, sind wir bedauernswerter als alle anderen Menschen. Adam brachte den Tod in die Welt, Christus die Auferweckung der Toten. Jetzt ist Christus aber vom Tod auferweckt auferweckt worden, und zwar als Erster der Verstorbenen. Denn ein Mensch hat den Tod gebracht. Deshalb bringt ein Mensch auch die Auferstehung der Toten Weil wir mit Adam verbunden sind, müssen wir alle sterben. Aber genauso werden wir alle lebendig gemacht, weil wir mit Christus verbunden sind.

Mit Ostern – da ist Paulus sich sicher – steht und fällt sein Glaube. Für Paulus ist Ostern ein kraftvolles Fest. An Ostern geschieht etwas. An Ostern geschieht sogar das Entscheidende. An Ostern macht sich die Erfahrung fest, dass wir auf Dauer mit dem Leben davonkommen. Dass der Tod, der größte Feind des Lebens bis in diese Tage, am Ende nicht der Sieger bleibt.

Viele Menschen vertrauen auf diesen österlichen Sieg des Lebens. Sichtbare Zeichen dafür sind für mich die Regenbögen, die ich derzeit an vielen Fenstern sehe. An unserem Wohnzimmerfenster haben wir auch einen angebracht. Diese Regenbögen verbinden viele Menschen in diesen Tagen der Corona-Krise miteinander.

In Italien hat diese Hoffnungsaktion ihren Ausgang genommen. Dort steht unter vielen Regenbögen der Satz zu lesen: „Alles wird gut!“ Wie eine kleine vielstimmige Osterpredigt wirkt dieser Satz. Wie Paulus – mutig und voller Widerstandswillen in einem einzigen Satz zur Sprache gebracht.

Paulus spricht in seinem Osterkapitel nicht nur von Leben und Tod, wenn er der österlichen Botschaft Raum geben will. Er spricht von Adam und Christus. Die Welt, in der der Mensch das Sagen hat, und die Welt Gottes, die in Christus anschaulich wird – für Paulus beschreiben diese beiden keinen Machtkampf mit offenem Aus-gang. Die Welt Adams ist eine im Vergehen. Die Welt des Christus breitet sich längst unübersehbar und unwiderstehlich unter uns aus. Weil am Ende alles gut wird. Und uns der Ostermorgen das Leben feiern lässt – wieder alle Krisen. Und wider allen Augenschein.

Auf unsere Gegenwart gewendet heißt das: Ostern meint viel mehr als nur zusätzliche Jahre geschenkten Lebens. Sonst könnte es mit den medizinischen Ratschlägen der Virologen schon sein Bewenden haben. Sicher: Viel Wichtiges und Richtiges liegt in dem, was sie uns raten. Aber um Ostern zu verstehen, kann das kann nicht alles sein!

Ostern meint darum auch viel mehr als Regeln, die die Gefährdungen im Umgang miteinander erfolgreich verringern. Ginge es an Ostern nur darum, könnte es mit den politischen Vorgaben schon sein Bewenden haben. Sicher: Die Einschränkungen im Umgang miteinander retten Menschenleben. Aber um Ostern zu verstehen, kann das kann nicht alles sein!

Ostern meint auch mehr als auf die Einsicht zu bauen: Mein Leben hat Anteil am großen Kreislauf von Werden und Vergehen in der Natur. Ginge es an Ostern nur darum, bräuchte es den Glauben an die Auferstehung nicht. Sicher: Das Wissen, dass wir Teil der Schöpfung sind, könnte unseren Umgang mit der Natur verändern Aber um Ostern zu verstehen, kann das kann nicht alles sein!

In all dem schimmert etwas von der österlichen Botschaft durch. Aber die Botschaft des Ostermorgens reicht viel tiefer. Das ist die Botschaft des Paulus, gerade auch in dem, was mir meinen Osterglauben in diesen Tagen den Boden entziehen will. 

In der Geschichte dieses einen am Ostermorgen erkenne ich, wie Gott unser aller Zukunft gemeint hat. „Der Herr ist auferstanden!“ – dieser österliche Jubelruf beschreibt eine völlig neue Weltsicht. Nichts gibt es, was mich Gott auf Dauer aus der Hand reißen kann. Kein Menschenleben geht verloren. Kein Einsatz für andere ist vergeblich. Keine Träne und kein Lachen sind umsonst. Alles bleibt aufgehoben. Wird von neuem fruchtbar gemacht – vor unser aller Augen. In unser aller Herzen. Wird fruchtbar und wirklich gemacht bei Gott.

Nein, die Welt ist auch an Ostern nicht einfach gut. Aber dass Furcht und Schrecken uns enttäuscht und entmutigt davon gehen, das war schon damals, beim Anblick des leeren Grabes, nicht das Ende. Und es kann es heute auch nicht sein! Schon gar nicht in unserer so bedrohlich daherkommenden Wirklichkeit. 

Der auferstandene Christus ist bleibend dabei, die Wirklichkeit dieser Welt zu verändern. Denn Ostern heißt nicht nur: Es gibt ein Leben nach dem Tod. Ostern heißt auch: Unser Leben hier wandelt sich - zum Guten. Wir bleiben vom Leben gezeichnet. Wie gut, dass endlich Ostern ist. Amen.

 

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.