„Die Sternen-Predigt des obersten Magiers“ - Morgenimpuls beim Pfarrkolleg "Predigttexte zu Advent und Weihnachten"

25.11.2020

Astronomische Infos

Die beiden langsamsten Planeten unseres Sonnensystems sind Jupiter und Saturn. Der Jupiter braucht 12 Jahre, um die Sonne zu umrunden, der Saturn sogar 30 Jahre. Ungefähr alle 20 Jahre gibt es eine sogenannte Konjunktion, also eine Himmelsbegegnung dieser beiden Planeten. Die nächste wird am 21. Dezember 2020, also demnächst, die übernächste erst wieder im Jahr 2040 sein.

Matthäus berichtet ja, dass sternenkundige Menschen, die er Magier nennt, einen besonderen Stern entdeckt hätten. Das sei für sie der Anlass gewesen, der Ursache dieser Himmelserscheinung auf den Grund zu gehen. Deshalb machen Sie sich auf die Suche nach dem Ort der Geburt eines außergewöhnlichen Menschen.

Johannes Kepler hat vermutet, der Stern von Bethlehem könnte eine solche Konjunktion gewesen sein, er habe im Jahr 7. v.Chr. eine solche gegeben. Es habe sich also nicht um einen Kometen gehandelt.

Das Schöne ist, dass wir dieses Jahr an diese Konstellation anknüpfen können, ohne dass wir ihre Historizität nachweisen müssen. Die Jupiter-Saturn-Konjunktion macht gerade in diesem Jahr einfach anschaulich, was Menschen damals so oder so ähnlich womöglich auch gesehen haben.

Nachfolgend die Sternen-Predigt des obersten Magiers in Babylon, der Mitreisende zu gewinnen sucht.

 

Predigt

Liebe sternenkundige Schwestern und Brüder! Jetzt möchte ich doch einmal das Wort ergreifen. Ihr sitzt hier, als sei die Welt von heute noch dieselbe wie die von gestern. Sehr ihr den nicht? Habt ihr keine Augen im Kopf? Habt ihr euren Verstand verloren? Könnt ihr nicht deuten, was sich da jeden Abend und jede Nacht am Himmel abspielt?

Sternenkundige möchtet ihr sein! Magierinnen und Magier. Menschen, die wissen, dass Himmel und Erde in ständiger Beziehung stehen. Warum interessiert ihr euch für Sterne? Warum habt ihr den Himmelsbildern Namen gegeben. Der große Wagen! Der große Bär. Die Waage. Die Fische. Ihr kennt die Sternbilder alle so gut wie ich.

Unglaublich und atemberaubend ist doch, was sich uns für uns da auftut. Wir können den Himmel lesen wie ein offenes Buch. Niemand weiß so gut wie wir, wie sich alles zueinander verhält.

Aber euer Wissen ist euch abhandengekommen. Hauptsache, ihr könnt sorglos euer Leben fristen. Könnt eure Zeit hier in Sicherheit verbringen. Nur nichts riskieren. Nur nicht mit offenen Augen nach oben schauen. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!“ Ihr lehrt mich dieses Sprichwort zu begreifen.

Erhebt auf von euren komfortablen Sitzkissen. Verlasst eure Paläste. Richtet den Blick nach oben. Ist das ein Stern? Ist das ein Komet? Ist das ein Himmelsfeuer? Ich weiß es nicht. Und was heißt das? Etwas noch nie Dagewesenes ist im Anbrechen.

Vergesst den ersten Lehrsatz nicht! „Wann immer ihr ein Himmelszeichen nicht deuten könnt, spricht der Himmel dennoch eine klare Sprache.“ Dieser Stern – nein dieses Himmelsfeuer – es meint doch: Neues lässt Kunde von sich vernehmen. Ein neues Reich ist im Entstehen. Wo genau? Irgendwo – jedenfalls nicht hier. Ein neuer König wird geboren. Wo genau? Jedenfalls nicht hier.

Und wie sollen wir dann erfahren, was der Himmel sagen will? Indem wir uns auf den Weg machen. Indem wir danach fragen, was nicht mehr so ist, wie es war. Indem wir danach Ausschau halten, wo Neues sich breit macht. Nur wo? Jedenfalls nicht hier!

Ich jedenfalls mache mich nicht des Versäumens schuldig. Ich, ich breche auf. Ziehe dem Stern entgegen. Was niemand zuvor je gesehen – ich lasse es mir nicht entgehen. Ich spüre genau: Da geht mich etwas an. Hier bin ich gemeint.

Unser zweiter Lehrsatz kommt mir in den Sinn: „Wer den himmlischen Stern verschmäht, dem geht auf Erden das Leben verloren.“

Also: Wer will mit mir ziehen? Wer bricht mit mir auf? Du, ja. Und Du! Drei sind genug. Sattelt die Kamele. Nehmt ausreichend Proviant mit. Vergesst die Geschenke nicht. Wer weiß, womöglich können wir sie noch brauchen.

Was bloß mitnehmen fragst du? Gold – im Tausch oder als Geschenk kann es uns immer helfen. Ebenso Weihrauch. Und Myrrhe. Als Medizin – für uns. Und für den, auf den der Stern zeigt.

Nein, den verlieren wir nicht aus den Augen. Nimmermehr wir das geschehen. Denkt an unseren dritten Lehrsatz: „Nur wer nach dem Himmel fragt, verliert im Leben die Richtung nicht.“ – Also - auf geht’s! Folgen wir dem Stern!

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.