Predigt im Vereinigungs- und Jubiläumsgottesdienst in Sindolsheim

18.07.2021

Liebe Festgemeinde!

Die Corona-Dürre ist derzeit im Abklingen. Fürs erste jedenfalls. Die Kurve dreht sich ja schon wieder. Wir feiern wieder Gottesdienste. Mit Maske zwar. Aber immerhin mit kleineren Abständen. Und wieder mit Gospelchor und Posaunenchor. Was für ein Grund zum Feiern!

Es ist gut, dass wir das Feiern nicht vergessen. Darum freue ich mich, heute ein wenig mit Ihnen hier feiern zu können. Mitten in dieser Festtagsstimmung machen sich aber auch andere Gefühle breit. Sorge und Entsetzen, Mitgefühl und Sprachlosigkeit angesichts der verheerenden Flutschäden in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Schlammmassen, die ganze Häuser unter sich begraben haben. Unbändige Flutwellen, die so viele Menschen in den Tod gerissen haben. Bilder, die wir so höchstens aus dem Fernsehen aus anderen Ländern kennen – und plötzlich sind sie Realität – gar nicht so weit von uns entfernt. Reißende Ströme und Hochwasser hier. Trockenheit und Waldbrände im Osten der USA und Kanadas. Und beide hängen – das wissen wir miteinander zusammen.

Der Predigttext für diesen Festsonntag aus dem 1. Könige-Buch beschreibt eine Episode aus dem Leben des Propheten Elia. Er hatte es nicht mit Corona zu tun und nicht mit Hochwasser und Flutwellen – bei ihm geht es um Trockenheit und Dürre. Nach dem Bericht des Schreibers der biblischen Königsbücher eine Strafe Gottes, um dem gottlosen König Ahab die Grenzen seiner Macht aufzuzeigen.

Unsere Dürren und unsere Fluten sind nicht gottgemacht. Wir verursachen sie selber. Durch die Art, wie wir mit diesem Planeten umgehen. Auch wenn manche das immer noch nicht wahrhaben wollen. Zurück zu Elia. Elia wird von Gott notversorgt. Findet einen Bach, der noch Wasser führt. Bekommt sein Essen von den Raben gebracht. Was für eine schöne Geschichte!

Und dann will Elia endlich wieder einmal richtig essen – so wie viele es sich bei uns während der Lockdown-Phase gewünscht haben. Er lädt sich selber ein. Bei einer armen Frau, die doch selber nichts hat. Nur eine Handvoll Mehl. Und ein paar Tropfen Öl. Davon soll sie Elia etwas backen. Und dabei selber leer ausgehen. Was dann folgt, haben wir eben als Lesung gehört. In göttlichem Auftrag sagt Elia ihr zu: „Das Mehl wird nicht ausgehen und an Öl sollst du keinen Mangel haben.“

Gott ist und bleibt ein Gott der Fülle! Das feiern wir. Und nicht erst heute. Und wir feiern es gerade auch angesichts dieses Gottesdienstes der Vereinigung Ihrer beiden Gemeinden.

Vereinigungen sind nicht einfach ein Zeichen des Mangels. Etwa nach dem Motto: Alleine reicht‘s nicht mehr. Jetzt müssen wir uns zusammenschließen, um zu überleben.

Im Predigerbuch finden wir eine andere Weisheit. „So ist‘s ja besser zu zweien als allein!“ Auch das haben wir eben als Lesung gehört. Eine große Vereinigung feiern wir in diesem Jahr ja auch in unserer Landeskirche. Vor genau 200 Jahren haben sich die lutherisch Gesinnten und die Reformierten in Baden zu einer Kirche zusammengeschlossen. Nein, auch das kein Zeichen des Mangels, sondern ein Zeichen der Fülle. Denn dieser Zusammenschluss hält jetzt schon 200 Jahre. Dieser Zusammenschluss damals war der Gründungsakt, die Geburtsstunde unserer Evangelischen Landeskirche in Baden.

Wenn sie als zwei Kirchengemeinden jetzt gemeinsam als eine in die Zukunft gehen, wird auch da ein Segen drauf liegen. Nein, eben kein Zeichen des Mangels. Eher die Freude daran, dass sie so noch besser gemeinsam auf dem Weg sein können.

Christlicher Glaube ist von Anfang an ein Projekt des Miteinanders und der Gemeinschaft gewesen. „So ist‘s ja besser zu zweien als allein!“ Aber diesem einen Satz steht ein anderer zur Seite. „Wo zwei oder drei zusammen sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“

In jeder Gemeinde, wie klein oder groß sie auch sein mag, braucht es Keimzellen des Glaubens, des Hoffens und des Liebens. Nicht die große Zahl macht die Kircher aus, sondern der Glaube, sei er auch noch so klein wie ein Senfkorn.

Die zwei oder drei, die manchmal genügen, das ist in der neuen größeren Gemeinde nicht anders als in den beiden kleineren zuvor. Aber Kirche braucht auch Gestaltungsräume. Und da sind die größeren Einheiten ein Segen. Vieles geht zusammen besser. Und des spart auch Kräfte und Energie. Nur noch ein Haushalt. Nur noch ein Kirchengemeinderat, auch wenn die beiden schon vorher gemeinsam getagt haben.

Vereinigungen sind ein Projekt der Vernunft. Sie fördern das Miteinander, aber sie schaffen nicht gleich schon das Reich Gottes.

Dafür braucht es anderes und einen anderen. „Die dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei!“ Auch das haben wir vorhin in der Lesung aus dem biblischen Predigerbuch gehört. In die beiden Gemeinde-Fäden, die sie zu einem gemacht haben, webt Gott seinen eigenen Faden ein. Und macht die beiden anderen so reißfest. Wo Gott sich einbindet, wird aus dem Bindfaden ein Seil.

Dass Gott sich einbindet, sich einbringt, sich einwebt in die Fäden unseres Glaubens, das machen unsere Chöre hörbar. Mehr noch. Das bringen sie mit der Schönheit der Lieder zur Sprache. Das posaunen sie mit dem Klang der Bläser in die Welt hinaus. Sie sind es, die die Botschaft von der dreifachen Schnur durch die Schönheit der Musik in der Welt vernehmbar machen.

Und was bleibt von dieser Schönheit angesichts der trostlosen Bilder aus den Zentren der Flut? Nein, keine Versuche, hier Gott irgendwie verantwortlich zu machen. Aber es bleibt dennoch ein anderes: Gott bleibt in der Flut nicht außen vor. So wenig wie er in der Dürre Elias außen vor geblieben ist. Gott will den Mangel nicht und nicht die Opfer. Und bindet, und mischt sich deshalb ein.

Und derselbe Verstand, der diesen Zusammenschluss hier als ratsam hat erscheinen lassen, der möge auch unserem Verstand die Wege aufzeigen, wie wir solche Fluten vermeiden und wie wir wirkungsvoll Vorsorge treffen können. Aber heute möge Gott zuallererst bei den Opfern sein. Bei denen, die ihr Hab und Gut verloren haben. Bei denen, die um liebe Menschen trauern. Dass sie nicht auch noch ihren Glauben an die Zukunft verlieren. Und daran, dass Gott sich nicht zurückzieht aus dieser Welt.

Erinnern möge Gott uns dar an, dass die Kirchen ein Ort bleiben mögen, an dem Menschen Trost finden und Hilfe. Ein Ort, an dem ihre Kraft gestärkt wird, dem Bösen wirksam entgegenzutreten. Ein Ort, an dem weder Mehl und Öl noch Zukunft und Hoffnung ausgehen.

Gemeinsam bleiben wir auf dem Weg. Gott ist dabei. Das haben wir gesungen. Das bekennen wir. Immer wieder neu. Und wollen uns davon nicht abbringen lassen. Amen.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.