KLARTEXT zum Letzten Sonntag nach Trinitatis

31.01.2021

Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen.  (2. Petrus 1,16)

Als Kirche sind wir eine Erzählgemeinschaft. Hätten wir nicht Geschichten, die aufrütteln und zu Herzen gehen, die offenlegen und Mut machen – wir würden niemanden dafür gewinnen, im Vertrauen auf Gott noch einmal ganz neu auf das Leben und diese Welt zu blicken. Es sind Geschichten, die die Kluft zwischen den Ereignissen damals und ihrer Lebenstauglichkeit heute am besten überbrücken. Doch wo Geschichten den Lauf der Dinge prägen, braucht es klare Kriterien der Unterscheidung. Ausgeklügelte Fabeln, wie der Briefschreiber sie nennt, mögen einen hohen Unterhaltungswert haben. Aber ich kann von ihnen nicht leben. Es sind – in heutiger Sprache - Fake News, die nur das Ziel erfolgen, Menschen zu verwirren und sie für eigene Zwecke zu instrumentalisieren.

Eine wahre Geschichte erkennt man daran, dass ich meine eigene Lebensgeschichte in sie hineinschreiben oder sie in ihr entdecken kann. Der Briefschreiber birgt sich in der Autorität des Petrus und macht sich dessen Bekenntnis zu eigen: Dieser Jesus ist keine kreativ ersonnene Kunstfigur. Aus den Geschichten, die sich Menschen von ihm erzählen, lässt sich knapp heraushören, dass in ihm Gott selber Gesicht gezeigt hat. Damals wie heute legen diese Geschichten offen, wie wahr sie sind, weil ich mich mitten drin im Geschehen entdecken und mit eigenen Augen sehen kann, dass sich die Machtverhältnisse längst verkehrt haben. Die kleinen oder großen Despoten dieser Welt haben nicht länger das Sagen. Im Namen Gottes können wir schon heute ganz andere Hoffnungsgeschichten erzählen.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.