KLARTEXT zum 3. Sonntag nach Epiphanias

24.01.2021

Zu der Zeit, als die Richter richteten, entstand eine Hungersnot im Lande. Und  ein Mann von Bethlehem in Juda zog aus ins Land der Moabiter, um dort als Fremdling zu wohnen, mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen.

(Ruth 1,1)

Auf den Tag genau ein Monat nach Heiligabend noch einmal oder immer noch: Bethlehem! Nach der weihnachtlichen Flucht von Maria und Joseph mit ihrem Kind nach Ägypten folgt schon wieder eine Fluchtgeschichte, die in Bethlehem ihren Ausgang nimmt. Sie ist viel älter als die Geschichte der weihnachtlichen Flucht vor den Schergen des Herodes. In der älteren Fluchtgeschichte gibt der pure Hunger den Anlass für die Flucht des Elimelech, seiner Frau Noomi und den beiden Söhnen ins benachbarte Moab. Verfolgung und Hunger gehören bis heute zu den Hauptursachen dafür, dass Menschen ihre Heimat verlassen. Bethlehem heißt zwar auf Deutsch „Haus des Brotes“ – aber ein Leben mit genügend Nahrung und in Sicherheit scheint in der älteren wie in der jüngeren Geschichte in dieser Stadt nicht möglich gewesen zu sein. Ein Ort, den nicht wenige Menschen verlassen, weil sie da nicht sicher wohnen können, ist Bethlehem – Gott sei’s geklagt – auch in unseren Tagen geblieben.

Wäre diese erste Geschichte der Flucht von Bethlehem nach Moab und zurück nicht eine mit Happy end gewesen, hätte die Generationenfolge über Ruth und Boas, David und Bathseba, Joseph und Maria nicht noch einmal nach Bethlehem führen können. Und ohne die Geburt in dortigen Stall draußen vor der Stadt und jenseits aller Herbergsromantik stünde das heutige Bethlehem nicht so stark im Blick der Weltöffentlichkeit. Gott schreibt auf den krummen Linien unseres Lebens gerade, ob in Bethlehem oder in den unzähligen anderen Hotspots der Unmenschlichkeit.

Vielleicht findet diese Geschichte der rettenden Gegenbewegung Gottes mitten hinein in unsere Welt gerade darum in einem Ort wie Bethlehem ihren Ausgangspunkt. Die zu Herzen gehenden Worte der Ruth, an ihre Schwiegermutter Noomi gerichtet, lassen sich auch als Zusage Gottes an uns Menschen über alle Generationen hinweg verstehen: „Wo ihr hingeht, da will ich mit euch gehen!“ Ein Monat nah Weihnachten ist dieser Satz immer noch aktuell.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.