Predigt über Sacharja 4,6 im Gottesdienst anlässlich der Goldenen Konfirmation am Samstag, 4. Juni 2022 (Samstag vor Pfingsten) in der evangelischen Kirche in Wolfenweiler

04.06.2022

Gruß
Die Freude und die Freundlichkeit Gottes sei mit uns allen und Gottes guter Geist möge uns beflügeln an diesem schönen Tag der Begegnung. Und des Wiedersehens! Amen.

Liebe goldene Konfirmandinnen und Konfirmanden!

„Drei Dinge braucht der Mensch: Heimat, Freunde und Werte!“ In einer Werbeanzeige habe ich diesen Satz vor einiger Zeit gelesen. Ich glaube, man sollte da irgendwie fürs Alter vorsorgen. Und Immobilien kaufen.

Dass der Mensch alles drei braucht - Heimat, Freunde und Werte! -  daran ist schon einiges wahr. Zuallererst: Natürlich braucht der Mensch eine Heimat. Das sagen heute vor allem die, die in den letzten drei Monaten ihre Heimat verlasen haben und aus der Ukraine zu uns gekommen sind. Sie vermissen ihre Heimat. Und von nichts träumen sie mehr, als bald wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können.

Der Satz stimmt aber auch für mich persönlich. Auch wenn ich 1979 von hier weggezogen bin: Wolfenweiler ist für mich immer meine Heimat geblieben. Ich bin, vor allem solange meine Eltern und meine Paten noch gelebt haben, oft hierher zurückgekommen. Und ich tu’s auch heute immer wieder sehr gerne. Wenn ich dann in nicht allzu ferner Zukunft in den Ruhestand eintrete, werde ich meinem Heimatdorf auch kilometermäßig wieder sehr nahe rücken.

Freunde, das zweite in dem Werbespruch: Auch das stimmt! Es sind nicht zuletzt die Freundschaften, die einem das Leben lebenswert machen. Ob die ganz alten Freundschaften, die, die über Jahrzehnte gehalten haben, die Sandkasten-, Kindergarten- oder Grundschulfreundschaften. Oder auch die neueren, die über die Jahre dazugekommen sind.

„Das ist ein Mof!“ hat unlängst ein Jugendlicher mir gegenüber über jemanden geäußert. „Was ist denn ein Mof?“ habe ich nachgefragt. Die Antwort: „Ein Mensch ohne Freunde.“ Niemand ist gerne ein Mof. Darum sind Freundinnen und Freunde so wichtig!

Bleibt das dritte. Werte! Man kann das auf unterschiedliche Weise verstehen. Die Werbung dachte an Dinge, die ich mir etwas kosten lasse. Die etwas wert sind. Haus, Grundstücke und sonstiger Besitz. Aber noch wichtiger scheinen mir andere Werte. Solidarität. Vertrauenswürdigkeit. Wahrhaftigkeit. Freiheit auch. Zusammenhalt. Die Fähigkeit zu vermitteln. All das, was heute oft rar geworden ist. Und worauf wir doch so sehr angewiesen sind.

Heimat, Freunde, Werte! Ja auf alle drei kommt es schon an. Aber ob sie ausreichen, um zufrieden und glücklich zu sein, das ist eine andere Frage.

Die Goldene Konfirmation ist Anlass zum Rückblick. Und zur Frage, ob’s am Ende doch noch „ein bisschen mehr“ sein könnte. Was war da los vor 50 Jahren – im Jahr 1972? Natürlich: Olympische Spiele in München mit dem grässlichen Attentat. 11 Sportler, insgesamt 17 Menschen hat dieser Anschlag das Leben gekostet. Und die heiteren Spiele waren von einem Tag auf den anderen vorbei.

1972 erscheint auch der Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums. Das Umweltthema war plötzlich in aller Munde. Mit der Klimaerwärmung steht die Frage der Zukunft unseres Planeten – 50 Jahre später – dringlicher auf der politischen Tagesordnung denn je.

Viel hat sich dann ereignet im weiteren Verlauf dieser 50 Jahre. Der Fall der Berliner Mauer und die Wiedervereinigung gehören politisch zu den glanzvollen Ereignissen. Der Kalte Krieg schien zu Ende. Heute hat er uns als heißer Krieg mit Macht eingeholt. Und er spielt sich gewissermaßen vor der Haustür unserer Heimat Deutschland ab.

Auch in der Kirchengemeinde war einiges los in diesen Jahren. Mit dem Amtsantritt von Pfarrer Heuser, der – ich glaube 1968 - Pfarrer Bernlehr nachgefolgt ist, bekam plötzlich die Jugendarbeit einen ganz hohen Stellenwert. Im Keller drüben im Pfarrhaus fanden am Samstag die legendären Disco-Abende statt. Gleich nebenan, im Alten Schulhaus, heute das Gemeindehaus, wo wir gerade herkommen, gab‘s eigene Räume für die Jugendarbeit. Ich erinnere mich noch an Frau Gauchert, Frau Hurka, Herrn Stengel und wer noch alles, die in diesem Haus unterrichtet haben.

Pfarrer Heuser war ja dann auch der, der uns konfirmiert hat. Nach 33 oder 34 Jahren ist er dann in den Ruhestand gegangen. Als Nachfolgerin von Pfarrer Eberhard Deusch sind Sie, liebe Frau Heimburger, nun auch schon wieder sieben Jahre im Amt.

Es waren also nicht einfach 50 goldene Jahre, auf die wir heute zurückschauen, wenn wir Goldene Konfirmation in unserer Heimat feiern. Es waren Jahre, die es in sich hatten. Jahre der Veränderung. Jahre des Gelingens und des Erfolgs. Jahre von Versuch und Irrtum.

Die größten Veränderungen und Turbulenzen hat’s womöglich in unser aller je eigenen persönlichen Lebensgeschichte gegeben. Familie. Beruf. Wohnung oder Haus. Kinder. Trennung. Ja auch der Tod nahestehender Menschen. In jedem Leben liegen Auf und Ab, Gewinn und Verlust aufs Ganze gesehen fast immer eng nebeneinander.

Und heute sind wir also hier. Um einander zu treffen. Einander wiederzusehen. Miteinander zurück- und vorauszuschauen. Und um die Erinnerung an die Konfirmation vor 50 Jahren zu feiern. Damals hat jeder und jede einen eigenen Gedenkspruch als Konfirmationsspruch zugesprochen bekommen. Als Spruch für die ganze Gruppe heute – 50 Jahre danach – eignet sich der Wochenspruch für die morgen beginnende Woche. Morgen feiern wir Pfingsten. Das nimmt auch der Spruch auf, der heißt nämlich, passend zu Pfingsten:

Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der HERR Zebaoth.

Um 600 vor Christus wird dieser Satz festgehalten. In einer Zeit, in der eine große militärische Katastrophe bevorsteht. Das Großreich Babylon steht kurz davor, den Kleinstaat Juda zu überfallen. Und Habakuk, der Prophet rät von aller militärischen Logik ab. Hochspannend ist dieser Satz gerade heute, wo der Streit um die Lieferung schwerer Waffen die Gesellschaft spaltet. Wer sich heute mit diesem Satz vor die Presse oder ans Rednerpult im Bundestag stellen würde, er oder sie würde ausgelacht. Keine Frage: Wir vertrauen heute der Kraft der Waffen mehr als dem Geist Gottes.

Aber jetzt soll‘s ja um den Rückblick auf 50 Jahre Lebensgeschichte seit der Konfirmation gehen. Spannend, sich die entscheidenden Momente noch einmal in Erinnerung zu rufen. War es das Ergebnis meiner eigenen Kraftanstrengung? Ja, oft auch. Aber nicht nur. Dass mir etwas gelingt, ist allemal immer auch Geschenk.

Erzwingen kann ich mein Lebensglück nie. Nicht durch eigene Kraft, sondern durch Gottes Geist war mir möglich, was mir gelungen ist. So würde es der Prophet Habakuk formulieren. Nein, kein Streit, wer recht hat. Es geht eher um eine Haltung. Um einen anderen Blickwinkel. Es geht darum, dass ich mein Leben auch als Geschenk sehen kann. Wir feiern heute, dass Gott uns hat zufallen lassen, was eigentlich nur ein Zu-Fall unseres Lebens war.

Dass die Zu-Fälle unseres Lebens mehr sind als ein purer Zu-Fall – dass wir sie auch sehen können als Auswirkungen des Geistes Gottes - das genau könnte das Gold ausmachen, das die Konfirmationserinnerung zur Goldenen Konfirmation macht. Und was am Ende auch die drei am Anfang erwähnten Dinge zum goldenen Strahlen bringt.

„Drei Dinge braucht der Mensch: Heimat, Freunde und Werte!“ Mit diesem Satz habe ich begonnen.

Heimat ja – aber es braucht sie nicht nur hier auf der Erde. Sondern Heimat auch im Himmel – spätestens dann, wenn ich diese Heimat hier auf diesem schönen Planeten Erde einmal für immer verlassen muss.

Freunde ja – aber es braucht sie nicht nur untereinander, sondern auch zwischen unten und oben, zwischen Himmel und Erde. Zwischen Gott und Mensch. Freundschaft, die hält und trägt, wenn sonst alles zusammenbricht.

Und Werte - natürlich! Aber es braucht sie nicht nur in Heller und Pfennig. In Euro und Cent. Sondern es braucht auch solche Werte, die jede Inflation, jede Entwertung auf unseren Märkten überdauern. Schätze sammeln, Werte sammeln im Himmel, heißt es im Gleichnis vom reichen Kornbauern, der viel mehr hat als er zum Leben braucht. Und der doch nichts davon mitnehmen kann, als der Tod bei ihm auf der Matte steht.

Ich denke, es wäre nicht schlecht, den drei Dingen, die der Mensch braucht, noch etwas Viertes hinzuzufügen. Gerade aus der Erfahrung der vergangenen 50 Jahre. Im Blick darauf, was sie golden gemacht hat. Und in der Erwartung dessen, was in unserem Leben vor uns liegt. Ich würde noch gerne das Gottvertrauen als viertes dazusetzen. Gerade weil das Entscheidende im Leben nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch Gottes Geist geschieht – wie’s im Spruch zum Pfingstfest heißt.

Uns allen wünsche ich dieses Gottvertrauen. Damit auch die vor uns liegenden Jahre ihren Glanz bekommen, der dann – in 10 Jahren – nicht nur golden, sondern sogar diamanten sein wird. Und ich bin sicher: Wenn es Gottes Geist ist, der uns beflügelt, werden es gute Jahre sein. Amen. 

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.