Ansprache im Gottesdienst mit Beauftragung von vierzehn Diakoninnen und Diakonen mit der öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentspendung am Sonntag, den 13. März 2022 (Reminiszere) in der evangelischen Stadtkirche in Baden-Baden

13.03.2022

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Amt einer Diakonin und eines Diakons,
liebe Angehörige, Freundinnen und Freunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Festgemeinde!

Das ist für Sie alle heute ein besonderer Tag. Ein Tag, an dem wir einen Gottesdienst feiern, in dem Ihre Gaben und Ihre Aufgaben im Mittelpunkt stehen. Dies ist heute Ihr Gottesdienst. Aber es ist zugleich ein Gottesdienst, in dem wir gemeinsam verbunden sind in der Erfahrung: Es ist da auch noch ein anderer am Werk. Es ist noch eine andere Macht im Spiel.

Von dieser anderen Macht handelt das Motto, das sie sich für diesen Gottesdienst ausgewählt haben. „Möge die Macht mit dir sein!“ So lautet der Satz. Ein Satz, der in den beiden Lesungen, die wir eben gehört haben, nicht vorkam. Der aber trotzdem für heute wunderbar passt. Ihr Motto stammt aus einem ganz anderen Kontext. Aus der Filmwelt. Aus der Reihe Star Wars. „May the force be with you” heißt es im Original aus dem Jahre 1977. 45 Jahre alt ist dieser Satz. Ich war 20 Jahre alt, als ich ihn zum ersten Mal gehört habe. Und ich erinnere mich noch sehr gut daran. 45 Jahre -  das ist noch kein Alter für eine Weisheit. Ein Satz ist das also – noch ganz schön jung gegenüber der Weisheit der biblischen Texte.

Der Jediismus, die fiktive geistig-spirituelle Grundlage, die im Hintergrund steht, bedient sich allerdings gehörig aus den religiösen Vorräten des Christentums. Bis hin zur Kopie der religiösen Erlösergestalt des Anakin Skywalker.  Mittlerweile gibt es sogar eine ganz erkleckliche Zahl von Büchern, die sich mit dem Verhältnis dieser beiden Blickmöglichkeiten auf Gott und die Welt ausführlich beschäftigen.

„Möge die Macht mit dir sein!“ Wenn Sie sich diesen Satz ausgewählt haben, haben Sie ihn innerlich gleich schon getauft. Ihn also aus ihrer christlichen Prägung heraus verstehen wollen.

„Möge die Macht mit dir sein!“ Kein schlechter Wunsch in einem Gottesdienst, in dem Sie Ihre Beauftragung als Diakonin oder Diakon feiern. In dem sie zur Annahme der Herausforderungen der Weitergabe des Evangeliums in der Vielfalt der dafür zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ermutigt und beauftragt werden. In der Sprache der kirchlichen Bekenntnisse und der daraus abgeleiteten Tradition heißt das: Sie werden beauftragt mit der Wortverkündigung und Sakramentsspendung.

„Möge die Macht mit dir sein!“ Was bedeutet das im Blick auf die besondere Akzentsetzung dieses Tages in ihrer Berufsbiographie und in ihrer Lebengeschichte? Dieser Satz ist ein Gruß. Besser gesagt: ein Abschiedsgruß. Am Anfang dürfen ihn nur die Jedi benutzen. Vor allem sind das Yoda und Obi-Wan Kenobi, beide Meister des Jedi-Ordens. Da ist der Satz noch ein innereligiöses Erkennungssymbol. So wie manche auch bei uns meinen, man müsse besondere Weihen besitzen, um die Worte des Segens zu nutzen und sie anderen zuzusprechen.

Aber irgendwie sind die Jedi auch evangelisch. Denn der Satz macht so etwas wie ökumenische Karriere. Und er ist plötzlich in aller Munde.

„Möge die Macht mit dir sein!“ Wie ein Segen hört sich dieser Satz an. So wie der aaronitische Segen am Ende des Gottesdienstes. Wer einen Abschiedsgruß benutzt, wer einen Abschiedssegen spricht, der will denen, die weiterziehen, etwas mitgeben. Etwas, das bleibt. Etwas, das schützt. Etwas, das die, die da auseinandergehen, auch in der Trennung miteinander verbindet. „Möge die Macht mit dir sein!“ – das heißt dann: Ich kann nicht weiter durch meine Anwesenheit hilfreich für dich da sein. Du gehst deine Schritte jetzt ohne die schützende Höhle unserer Gemeinschaft. Aber ich befehle dich doch einem anderen an. Ich bitte eine andere Macht, für dich da zu sein.

Es ist die Macht Gottes, die wir da füreinander in Anspruch nehmen. Wenn ich jemand anderem einen Segen zuspreche und mitgebe, überlasse ich ihn oder sie getrost der schützenden Wirksamkeit der Macht Gottes. Das kann einem schon gelassen machen. Das kann Sie heute auch gelassen machen.

Sie werden heute in ganz besonderer Weise unter den Segen Gottes gestellt. Als Diakonin und als Diakon setzen sie ihre Schritte in der Kirche – aber immer zugleich auch in der Welt. Sie tun dies in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit Ihren Kolleginnen und Kollegen. Und mit vielen weiteren Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen. Eingebunden in den Rahmen, mit dem die Kirche ihren Dienst umschrieben hat. Aber Sie tun es in eigenständiger Verantwortung.

Da schadet es wahrhaftig nicht, wenn die Macht Gottes mit Ihnen ist! Wichtig ist – und da unterscheiden sich der Jediismus und unsere christliche Überzeugung doch ganz gewaltig - die Macht Gottes zielt nicht auf die Beherrschung der Galaxien. Die Macht Gottes zielt auf den Dienst der Bewahrung der ganzen Schöpfung. Der Macht Gottes geht es um Diakonie und um Barmherzigkeit – nicht um Vorherrschaft und politischen Größenwahn.

Die schrecklichen kriegerischen Ereignisse dieser Tage führen uns diesen Gegensatz in eindrücklicher Weise vor Augen. Wenn Macht um ihrer selbst willen ausgeübt wird. Und in Schreckensherrshcaft umschlägt. Mit der Macht Gottes verhält es sich da  gänzlich anders. Gottes Macht ist in den Schwachen mächtig. Und es ist eine Macht, die die Gaben, die in Sie hineingelegt sind, zugunsten der Allgemeinheit und der Gemeinschaft entfaltet sehen will. Um diese Macht bitten wir, wenn wir ihnen nachher den Segen Gottes zusprechen und Sie seiner Macht anbefehlen.

Sich hier auf die Seite der richtigen Macht zu stellen, das ist eine Entscheidung einer klar an Gott ausgerichteten Vernunft. Und damit eine Entscheidung des Glaubens. „Glauben du musst!“ Auch diesen zutiefst evangelischen Satz kann man aus dem Mund von Meister Yoda hören. „Glauben du musst!“

Zu glauben, es mit dem Weg des Glaubens zu riskieren – das könnte Ihre Antwort sein auf den Zuspruch des Segens Gottes: auf den Wunsch: „Möge die Macht mit dir sein!“ Oder zum Abschluss in der vertrauten Sprache der Bibel: „Der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Und die Macht unseres Gottes, menschenfreundlich und der Welt zugewandt – sie möge mit euch sein, jeden Tag aufs Neue. Das lasst uns feiern. Gerade heute. Amen.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.