Licht.Worte am Sonntag, 10. Dezember 2023 (2. Advent) in der Martinskirche (jeden Tag während des Weihnachtsmarktes in Freiburg)

10.12.2023

Stille

Orgel (Choralbearbeitung „Nun komm, der Heiden Heiland“)

Hinführung
Nach den Licht.Tönen der Orgel mit Beatrix Ott nun Licht.Worte. Drei Licht.Worte möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben. Worte, die Sie begleiten auf Ihrem Weg gleich wieder aus der Kirche über den Weihnachtsmarkt – dahin, wohin Sie sich auf den Weg machen wollen. Drei Miniaturen der Seelenstärkung mitten im Nachmittag. Nutzen Sie diese wenigen Minuten als ein Geschenk, das Sie sich selber machen,

Das erste Licht.Wort: Zuversicht
Nichts brauche ich mehr in diesen so ganz anderen Tagen, in denen jede Nachrichtensendung meiner Seele zusetzt. Nichts brauche ich mehr als eben dies: dass ich Zuversicht habe. Zuversicht ist noch einmal etwas anderes als Optimismus. Es geht nicht darum, ob das Glas halbvoll ist (und nicht halbleer). Mein Optimismus ist fragil, zerbrechlich. Meine Zuversicht bleibt. Hält stand. Selbst dann, wenn vieles mir meine Hoffnung auf einen positiven Ausgang rauben will. Genau dann ist die Stunde der Zuversicht.

Zuversicht – in diesem Wort verbirgt sich ein richtungsgebundenes Schauen. Ein Schauen zu etwas hin und zu etwas hinauf. Aus dem Mittelhochdeutschen stammt dieser Begriff. Lässt sich seit eintausend Jahren nachweisen.

Wer zuversichtlich ist, schaut nicht weg. Schaut nicht zur Seite. Sondern schaut ausdrücklich hin. Und schaut nach vorne. Über den Tellerrand und das Ende des Tages hinaus. Ich schaue, weil meine Augen sich nicht zufrieden geben mit dem, was mir den Blick verstellt.

Wer Zuversicht hat, hat auch Zukunft. Vertraut darauf, dass es weitergeht. Ist überzeugt, dass – am Ende – alles gut wird.

„Wir sind von Wirklichkeit umzingelt!“ Robert Habeck hat das unlängst gesagt. „Wir sind von Wirklichkeit umzingelt!“ Da Durchlass zu finden, der Wirklichkeit ein Schnippchen zu schlagen mit der Kraft einer Glaubenszuversicht, die hilft, Durchgänge ins Leben freizuschneiden – darauf kommt es an.

Ich könnte keine Zuversicht haben, wäre bestenfalls ein Verdränger der Wirklichkeit, gäbe es nicht eine Macht, die meine Zuversicht speist. Immer wieder. Und immer wieder aufs Neue. Dieses unbedingte Vertrauen darauf, dass ich, dass wir Zukunft haben – manchmal gegen allen Augenschein – es lässt mich leben. Lässt mich hoffen. Lässt mich vertrauen.

Dankbar bin ich, dass ich Zuversicht habe. Gerade heute. Auf dem Weg von der zweiten zur dritten Kerze. Meine Zuversicht hilft mir, das adventliche Warten auf die neue Welt Gottes auszuhalten.

Ich wünsche Ihnen allen: Zuversicht!

Orgel: musikalische Zäsur

Das zweite Licht-Wort: Hoffnungsschimmer
Ein schönes Wort! Nicht irgendwie eine platte Hoffnung, dass alles schon wieder wird. Nein, eine Hoffnung, die vorausleuchtet. Die mir entgegenschimmert. Die meine Düsternis licht macht.

Eine Hoffnung mit Ansage! Eine Hoffnung, die ganz sachte, ganz klein Zeichen ihrer Existenz von sich gibt. Eine Vor-Hoffnung. Und darin eine Schwester der Vor-Freude. Der Hoffnungsschimmer ist wie die Zuversicht – nur voller Licht und voll von sachten Zukunftsgesängen.

Ein Hoffnungsschimmer, ausgemacht womöglich noch in weiter Ferne - er lässt mich die Erotik des Glaubens spüren. Elektrisiert mich. Bringt Erwartungen in mir zum Glühen, die womöglich noch gar keinen Anhalt an der Wirklichkeit haben. Ich sehe etwas, was andere womöglich nicht sehen. Aber womit ich sie anstecken kann.

Nein, ohne Hoffnungsschimmer kann ich nicht leben. Muss ich auch nicht leben. Der Advent lehrt mich, im Brennen, im Schimmer der Kerzen den Anbruch des lichten Tages Gottes vorwegzuahnen.

Selbst wenn der Schimmer vergeht, wenn er verglüht, weiß ich, dass mein Hoffen nicht ohne Grund geschieht. Ich ahne im Ausblick auf das Fest der Weihnacht die Wirklichkeit vorweg wie hinter einem bunten Transparent. Dahinter verbirgt sich Bewegung. Dahinter erspüre ich Leben.

Im Kind der Weihnacht nehme ich den Hoffnungsschimmer wahr, dass alle Kinder dieser Welt einmal Zukunft haben. Das reizt zum Widerspruch gegen alle böse Realität. Und davon haben wir genug in diesen Tagen. Und es reizt mich zur Erwartung, dass das Größte und Schönste in meinem Leben noch aussteht.

Ich wünsche Ihnen allen immer wieder einen: Hoffnungsschimmer!

Orgel: musikalische Zäsur

Das dritte Lichtwort: Gottvertrauen
Das dritte Lichtwort redet nicht darum herum. Ich vertraue nicht grundlos. Ich baue nicht auf unsicheren Grund. Ich vertraue darauf, dass es eine größere Gewissheit gibt als die, die ich selber herstellen kann. Ich vertraue! Ich vertraue auf den Urgrund meines Lebens. In der Tradition und in der Sprache meiner Religion nenne ich ihn Gott.

Mein Gottvertrauen, mein Ur-Vertrauen in den Wurzelgrund des Lebens und der Liebe verhält sich zum Vertrauen in die vielfältigen Angebote eines bunten Lebens wie das große Ganze zu einem kleinen Splitter der Hoffnung. Ich brauche diesen tragenden Grund. Auf ihm kann ich mich auf den Weg machen. Kann ich das Wagnis des Lebens eingehen, ohne mich vorher erst noch abzusichern.

Derzeit habe ich das Gefühl, dass vertraute Sicherheiten weggebrochen sind. „Mach dir keine Sorgen. Wir haben alles im Griff!“ Das gilt längst nicht mehr. Und deshalb sichern wir uns ab. Mit Geld. Mit klugen Strategien. Mit Bündnissen. Mit Waffen.

Ich gebe es gerne zu: Ohne Gottvertrauen könnte ich manchen Stürmen nicht standhalten. Martin Luther hat securitas und fides unterschieden. Sicherheit und Glaube. Im einen Fall mache ich, versuche ich meine Sicherheit herzustellen. Im anderen Fall werde ich gemacht – zu dem, zu der, die glauben. Zu dem, zu der, die ich nach Gottes Willen sein soll. „Gott liebt mich nicht, weil ich schön bin. Sondern ich bin schön, weil Gott mich liebt“. Das ist noch einmal Luther.

Im Gottvertrauen nehme ich also die Befreiung von bedrängender Wirklichkeit vorweg. Und lebe heute schon so, wie ich es eigentlich erst am Ende aller Tage und aller Zeiten könnte. Was für eine Perspektive!

Damit kann ich mich wieder ins weihnachtsmarktliche Treiben vor der Türe stürzen. Oder den Lärm hinter mir lassen. Lärm verbraucht. Stille ernährt. Segen schenkt Flügel. Die tragende Erfahrung dieses Gottvertrauens wünsche ich ihnen allen.

Orgel (Choralbearbeitung „Nun komm, der Heiden Heiland“)

Der Segen Gottes begleite euch durch diese segensbedürftigen Zeiten. Gemeinsam zugesprochen. Danach aber auch gerne noch einzeln, wenn Sie mögen.

Auf all euren Wegen behüte euch Gott
Quelle unserer Zuversicht
Licht hinter jedem Hoffnungsschimmer
Horizont unseres Vertrauens

Und so segne euch Gott, gnädig und barmherzig,
Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Amen.

Angebot: Einzelsegen

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat i.R., Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, Opa, liest und schreibt gern.