Bibelarbeit zu "Form und Liturgie"im Rahmen der Oasentage am Dienstag, 31. Januar 2023 im Kloster Hegne

31.01.2023

Form und Liturgie! Diese beiden Begriffe möchte ich in der heutigen Bibelarbeit zueinander in Beziehung setzten. Und dabei durchaus auch einen etwas längeren Anlauf nehmen.

Form follows function. Ihr kennt alle diesen Satz aus der Welt des Produktdesigns. Die Funktion eines Gegenstandes, eines Hauses oder auch eines Handlungsablaufes bestimmt die Form. Im Blick auf das Begriffspaar Form und Liturgie müsste also erst einmal geklärt werden, in welchem Verhältnis Form und Liturgie zueinander stehen. Ich verstehe die Liturgie als eine bestimmte Weise, die Gegenwart Gottes zu feiern – je nachdem in unterschiedlichen Formen.

Aber das geht mir jetzt erst einmal zu schnell. Ich will das, was Liturgie hier meint, erst einmal sehr weit fassen und sie als eine Form der Strukturierung eines gottgemäßen Handelns verstehen. Es braucht dazu einen Lernweg. Und so komme ich auch gleich zu meinem ersten biblischen Text. Und der findet sich gleich ganz am Anfang der Bibel.

Die Schöpfung als Ur-Liturgie Gottes
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag. (1. Mose 1,1-5)

Am Ur-Anfang all dessen, was ist, hat die Erde noch keine Form. Es ist auch noch nichts zu ahnen von der Schönheit liturgischer Gesänge, keine Gregorianik, keine Kanons aus Taizé. Am Anfang herrschen Chaos und Tohuwabohu. Die Form der göttlichen Rede folgt aus ihrer Funktion.

Das Chaos muss grundstrukturiert werden. Die erste Ur-Struktur ist die von Licht und Finsternis. Und das Ergebnis dieser Polarität, die Erschaffung des Lichts lässt Gott erst einmal selber zum Liturgen werden. Erst ab dem sechsten Tag stünden andere dafür zur Verfügung. Der erste liturgische Akt Gottes ist der -womöglich unausgesprochene – Satz: Siehe, es ist gut! Nicht erst am Ende ist alles gut. Nein! Schon gleich am Anfang.

Die Grundstrukturierungen, besser noch die Grundunterscheidungen  Gottes und Gottes Reaktion darauf wiederholen sich: Die Wasser über der Feste und die darunter werden voneinander getrennt. Der Himmel wölbt sich über die Erde. Es folgt die Trennung von Wasser und trockenem Land, Sonne, Mond und Sterne, Lufttiere und Wassertiere – und zuletzt der Mensch – dann wieder differenzierend zwischen männlich und weiblich.

Jedes Mal singt Gott dasselbe Lied, am dritten Tag dann schon gleich zweimal: Es ist gut!

Entscheidendes lerne ich zur Grundfunktion und zur Form von Liturgie: Sie feiert die Unterscheidung. Auch die der Sprache. Liturgische Sprache ist zwar alltäglich, zumindest war sie es sechs Schöpfungstage lang. Aber die liturgische Sprache ist zugleich unterschiedene und mitnichten gewöhnliche Sprache, weil sie es nicht mit Gewöhnlichem zu tun hat. Sie ist Gott gemäße Sprache.

Impuls 1: Meine liturgische Sprache im Spagat zwischen Verstehbarkeit und Anlassgemäßheit – wie gelingt mir das?

Der Lernweg zum Verhältnis von Form und Liturgie geht weiter.

Liturgie als Weg der Unterscheidung von heilig und profan
Da sprach Mose: Ich will hingehen und diese wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. Als aber der Herr sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Er sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! (2. Mose 3,1-5)

Für mich ist das eine der eindrücklichsten biblischen Geschichten. Gott gibt sich – nein, nicht zu erkennen, sondern zu erfahren. Und wer diese Erfahrung macht, dem oder der zieht es buchstäblich die Schuhe aus. Gott ist nicht mehr allein zwischen Himmel und Erde. Längst hat der Mensch seine Geschichte mit Gott. Denn es ist nicht der Gott des Mose, der sich im Dornbusch zu erkennen gibt. Es ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Mose ist Glied in einer Kette.

Und doch erscheint Gott ihm ganz neu. Individuell. Passend auf ihn, auf Mose bezogen. Jetzt wird Mose zum Liturgen. Gleich im doppelten Sinn. Zum einen legt Mose seine Absicht offen. Ich will hingehen und sehen! Das ist die Eingangsliturgie jedes Gottesdienstes. Ich komme und singe, weil ich sehen will, was sich da Wunderbares ereignet.

Aber der liturgische Weg des Mose geht noch weiter. Mose bleibt mit seiner Absicht nicht im Leeren. Gott antwortet. Spricht ihn an. Ruft: Mose, Mose! Und Mose antwortet: Hier bin ich. Im Angesicht Gottes wird sich Mose seiner selbst bewusst. Wie im Kyrie der Liturgie: Mose erkennt sich selbst vor Gott. Und als ob es das göttliche Gloria wäre, geht die Begegnung weiter. Mose wird beauftragt. Er soll sein Volk in die Freiheit führen.

Ich lerne weiter zu Form und Funktion von Liturgie. Wenn ich mich erkenne im Angesicht Gottes, bin ich ausgesondert aus der Menge der vielen. Ich stehe als ich vor Gott. Hier bin ich. Mitten in der Welt stehe ich auf heiligem Boden. Liturgie verwandelt das, was ist. Macht es Gott gemäß. Macht es heilig.

Impuls: 2: Meine Rolle als Liturg, als Liturgin, als Amtsträgerin oder Amtsträger im Verhältnis zur Gemeinde: mein Gegenüber oder ich als Beauftragter oder Beauftragte auf Zeit inmitten der Gemeinde - was denke ich und wie lebe ich das?

Jetzt nähern wir uns mit schnellen Schritten der Insel Reichenau mit ihren Kirchen. Gott ist auf dem Weg, verortet zu werden!

Heiliger Ort, heilige Liturgen
Die Priester gingen heraus aus dem Heiligtum. Und alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen. Bei ihnen standen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem Herrn: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig!« Da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke als das Haus des Herrn. (2. Chronik 5,7-8.11-13)

Nein, jetzt spricht Gott nicht mehr aus einem Busch, den er sich für die Kommunikation auswählt. Er macht sich nicht vernehmbar aus einem Zelt, das heute aufgestellt und morgen wieder abgebaut wird. Gottes Gegenwart wird verortet im heiligen Haus, im Tempel. Die Feier dieser Gegenwart wird angeleitet von eigens dafür ausgewählten Personen, den Priestern.

Die Liturgie verliert ihre Unschuld. Und – man kann das durchaus so sehen – Gott seine Unbehaustheit und womöglich auch seine Freiheit.

Mit Psalter und Harfen, mit Zimbeln und Trompeten wird Gott die Ehre gegeben – aber Gott ist irgendwie nicht wohl dabei. Lange hat er sich gegen den Tempelbau gesträubt. „Du willst mir ein Haus bauen?“, sagt Gott zu David. „Es macht doch nur umgekehrt Sinn. Ich will dir ein Haus bauen!“

Liturgie wird zum geistlichen Sondergut. Nicht das Volk ist es, das singt. Obwohl der Begriff es ja nahelegt. Laos und Ergon. Ein Werk des Volkes soll sie sein. Liturgie wird zur Spezialkunst. »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig« singt der auserwählte Chor. Und nur die Priester dürfen sich dem Allerheiligsten nähern.

Ich lerne, dass hier ein entscheidender Bruch in der Liturgie als Gotteslob der vielen wahrnehmbar wird. Liturgie wird schön und professionell. Aber sie wird den vielen aus der Hand genommen. Wird einer professionellen Kaste übereignet. Sie ist nicht mehr Ausdruck eigenen Glaubens, sondern ein beeindruckendes göttliches Schauspiel, am dafür geeigneten Ort. Ob es auch eine Gott gemäße Kunst ist, bleibt einstweilen offen.

Impuls 3: Unsere Kirchengebäude und ihre Bedeutung – mitten in allen Entscheidungsprozessen: funktionell profilierter Raum oder heiliger Ort der Gottesbegegnung? Hilft mir das protestantische Mantra, wir hätten keine heiligen Orte wirklich weiter?

Der Weg der liturgischen Erkenntnis geht weiter:

Liturgie als Einladung zur Predigt
Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde.  Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich. (Jesaja 40,6-8)

Kein Wunder, dass dieser letzte Satz unter der Barmer Theologischen Erklärung steht: Verbum die manet in aeternum. Das ist die Conclusio aus jeder Predigt. Zumindest sollte es so sein. Mitten in aller Vergänglichkeit leuchtet die Unvergänglichkeit Gottes auf.

Die Liturgie erhält eine Weitung. Wandelt ihre Form. Ist nicht nur gesungene Klage und zu Herzen gehendes Gotteslob. Mitten in aller vertrauten Liturgie ertönen Zuspruch und Anspruch. Hier ist die Geburtsstunde der Predigt als einer Form der Liturgie, die Herzen und Sinne, Gefühl und Verstand in einem zu erreichen sucht.

Mich hat die Unterscheidung von Liturgie und Predigt schon immer gehörig irritiert. Sie suggeriert, es gäbe gewissermaßen eine Ummantelung des Eigentlichen, der Predigt, durch liturgisches Beiwerk. Nein, unser Predigen ist ein liturgisches Geschehen in anderer Form.

Zwei Fehlschlüsse lassen sich daraus ziehen. Und beide wurden und werden auch so gezogen. Der eine - und daran sind wir hardcore-protestantisch nicht unschuldig -: Wir reduzieren das liturgische Beiwerk auf das Nötigste oder lassen es im Zweifelsfall ganz weg. Heraus kommt der reformatorische Predigtgottesdienst, der den Kanzelauftritt des vollmächtigen Predigers ins Zentrum rückt.

Gottseidank haben wir mittlerweile gelernt, wie wohl es tut, wenn es heißt: Schmecket und sehet, wie freundlich Gott ist!

Man kann aber leicht auch auf der anderen Seite vom Pferd fallen und sagen: Auf die Predigt kommt es ja ohnedies nicht an. Es reicht, wenn wir uns im liturgischen Spiel und im gregorianischen Singen üben.  Und die Predigtkunst wird dem Vergessen anheimgegeben. Diese Einseitigkeit schmerzt mich mindestens genauso wie die andere.

Was lerne ich im Blick auf das Verhältnis von Liturgie und Form? Liturgie ist ein ganzheitliches Geschehen, die nicht nach Lust und Bedürfnis minimiert oder verabsolutiert werden kann. Sie liebt die Vielfalt der Formen. Und ich muss nicht alle Varianten gleichzeitig bedienen und gleichermaßen beherrschen. Aber ich muss mit der Gott gemäßen Vielfalt leben lernen und meine darf meine Vorlieben nicht verabsolutieren.

Impuls 4: Die gottesdienstliche Vielfalt zwischen Stundengebet, Agende 3 und Lobpreisgottesdienst – ist das für mich ein Wettbewerb mit offenem Ausgang, Wildwuchs, der beschnitten werden muss oder wertgeschätzte Vielfalt?

Einstimmen in die Liturgie der Engel

Auf meinem Lernweg wechsle ich jetzt hinüber ins Neue Testament. Begebe mich hinein in das Geschehen um Jesus aus Nazareth. Prallvoll von Möglichkeiten liturgischer Horizonterweiterung sind die Evangelien. Aber eine Botschaft übertrifft all die anderen:

Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier. Er ist auferstanden von den Toten. Und siehe, er geht vor euch hin nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen. Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen. (Matthäus 28,5-8)

Liturgie ist das Geschäft der Engel. Nicht nur beim Münchener im Himmel, wo sie auf Wolken sitzen und Halleluja rufen. Wo wir Menschen am Ende sind, stehen Engel hilfreich zur Seite. Das ist das zentrale Wandlungs-Geschehen am Ostermorgen. Die Liturgie der Engel klingt aus dem leeren Grab. An die Grabeskirche in Jerusalem fühle ich mich erinnert, die ja für die Mehrzahl keine Grabeskirche ist. Sie nennen sie Anastasis, also Auferstehungskirche.

Der Gesang der orthodoxen Gläubigen hat hier seine Quelle und sein Vorbild, wird Nachklang und Spiegelbild: Fürchtet euch nicht. Er ist nicht hier. Er ist euch voraus. Und wo immer wir einstimmen in die vielfältigen Formen der Liturgie, die den Ostermorgen besingt, werden wir den Engeln ein gutes Stück ähnlicher, verrichten ihre Aufgabe. Ein vornehmeres Tun kann es eigentlich gar nicht geben.

Was bleibt mir als Einsicht in das Verhältnis von Form und Liturgie? Jede Kirche wandelt sich ein Stückweit zur Auferstehungskirche, wenn in unserer Liturgie das Bekenntnis gefeiert wird: Er ist auferstanden. Er ist uns voraus. Und wo wir einstimmen, erscheinen wir nur wenig geringer als Engel. In menschenfreundlicher Sprache am Gott gemäßen Ort.

Impuls 5: Was ist eigentlich mein eigenes Ur-Bekenntnis? Was feiere ich im Gottesdienst? Karfreitag oder Ostern? Karfreitag und Ostern? Oder gar Pfingsten ohne Ende?

Wie das gehen könnte, davon handelt der nächste Erkenntnisschritt:

Die Liturgie drängt zur Form

Wie ist es nun, Brüder und Schwestern? Wenn ihr zusammenkommt, so hat ein jeder einen Psalm, er hat eine Lehre, er hat eine Offenbarung, er hat eine Zungenrede, er hat eine Auslegung. Lasst es alles geschehen zur Erbauung! (1. Korinther 15,26)

Die erste Agende der Kirchengeschichte! Liturgie entspringt nicht einfach mehr nur der Erfahrung des staunenden und ob dem Gegenstand des Staunens gläubig gewordenen Herzen. Die Form gewinnt Gestalt. Der Ablauf erhält Struktur. Die Ordnung gewinnt Oberhand über die Freiheit des Geistes. Nicht einfach so, sondern so gewollt. „Unser Gott ist doch kein Gott der Unordnung!“ heißt es nur wenige Zeilen weiter.

Jetzt werden Strukturelemente des Gottesdienstes sichtbar, deren Strahlkraft bis in unsere Gottesdienste reicht. Psalmen, Lehre, Offenbarung, Zungenrede, Auslegung! Ich kann, wie ich’s von Heinrich Riehm gelernt habe, die Elemente schmiegsam verwenden, kann auslassen und akzentuieren. „Alles ist euch liturgisch erlaubt!“, so hat sein Credo gelautet. „Abert ihr müsst immer wissen, was ihr tut!“

„Alles ist euch erlaubt!“, heißt es auch bei Paulus. Aber der Satz geht dann etwas anders weiter: „Es muss der Erbauung dienen“, es darf keine Spaltungen verursachen!“ Ganz bin ich hier mit Paulus nicht einig. Spaltungen nein! Aber auch die Liturgie muss die Welt beim Namen nennen. Und genau das, wird auch Widerspruch erzeugen. Aber womöglich so am Ende dennoch Gemeinde bauen und erbauen.

Auch das ist ein Lernertrag auf dem Weg des besseren Verstehens von Form und Liturgie: Die Gott gemäße Feier des Lebens braucht Ort und Struktur, aber alles in Maßen, damit die Form die Liturgie nicht erdrückt. Luthers berühmte Torgauer Formel aus dem Jahr 1544 kommt mir hilfreich in den Sinn: „Es soll dies Haus dahin gerichtet sein, dass nicht anderes darin geschehe, denn dass unser lieber Herr selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort, und wir wiederum mit ihm reden durch Gebet und Lobgesang“. Wichtig dabei: Gottes Herz ist weit, in der Regel viel weiter als das unsere!

Impuls 6: Gottesdienstliche Ordnung – wie weit ist die Struktur ist für mich ein hilfreiches Geländer? Ab wann wird sie zur gängelnden Einschränkung? Woran orientiere ich mich?

Die Liturgie ist am Ende und kommt ans Ziel

Bleibt ein Letztes! Der Blick darauf, was geschieht, wenn unser liturgisches Üben und Stammeln, unser Klagen und Loben, unser Reden und Hören ans Ziel kommt.

Und in der Mitte am Thron und um den Thron waren vier Wesen. Und ein jedes der vier Wesen hatte sechs Flügel, und sie hatten keine Ruhe Tag und Nacht und sprachen: Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr, der Allmächtige, der da war und der da ist und der da kommt.

Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Und die vier Wesen sprachen: Amen! Und die Ältesten fielen nieder und beteten an. (Offenbarung 5,6.13+14)

Jetzt ist die Liturgie am Ende. Und zugleich am Ziel. Keine Suche mehr nach Formen. Kein sorgenvolles Schweigen. Nur Jubel. Niemand ist ausgeschlossen. Engel und Älteste, die vier Wesen und alle Geschöpfe – alle sind vereint im Gotteslob. Dann wenn Gott alle sin allem sein wird. Und wir Gott nichts mehr fragen werden.

Aber da sind wir noch nicht. Noch lange nicht. Und manchmal doch schon. „Vorweggenommen in ein Haus aus Licht“, wie Marie Luise Kaschnitz dichtet.

Darum bleibt als letzter Ertrag: Liturgie ist ein Annäherungsgeschehen. Kein verzichtbarer Zierrat. Kein Ad on solange wir noch Zeit haben. Keine Spielwiese für Liebhaberinnen und Liebhaber.

Die Form bleibt flexibel. Sie erlaubt den je eigenen Zugang. Man muss am Altar nicht singen. Und man muss mit der Predigt den Gottesdienst nicht vereinnahmen.

Liturgie ist das Spiel des Lebens im unüberhörbaren Gotteslob inmitten der Brüchigkeit meines Lebens. Das vorweggenommene, die Wirklichkeit aber nicht ausblendende Gotteslob.

Liturgie ist Lebenskunst, indem sie verdichtet und mir Form leiht, um zum Ausdruck zu bringen, wofür mir womöglich die eigenen Worte fehlen. Selbst die mir fremde Liturgie kann ich auf meiner Zunge zergehen lassen.

Liturgie ist die Sprache der Engel. Wir dürfen sie lernen und gebrauchen, weil sie am Ende auch unsere Sprache sein wird. Und nicht nur die unsere, sondern die der ganzen Schöpfung.

Impuls 7: Wer möchte ich sein: Begleiterin und Begleiter? Wegweiserin oder Wegweiser ins Heilige? Lehrerin oder Lehrer? Mystikerin oder Mystiker?

Gebet
Meine Liturgie darf bescheiden daherkommen, Gott. In der Brüchigkeit meiner Sprache. In der Ungelenkheit meiner Worte. In der Verzweiflung meines Denkens. Ich muss nicht viele Worte machen. Ich muss dich nicht in korrektem Denken ergründen.

Manchmal genügt dir mein Schweigen, Gott. Auch dann legst du deine Fülle in mein Herz. Und hörst auch noch aus meinem Schreien dein Lob heraus.

Darum will ich mich auf den Weg machen, bis mein Leben und mein liturgisches Stammeln in eins fallen. Was für eine Perspektive, Gott. Amen.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.