Wort zum Tag (SWR 2)

14.01.2023

„Alles gut!“ Immer wieder höre ich diesen Satz. Meist dann, wenn ich jemanden direkt auf eine offensichtlich schwierige Situation anspreche. „Wie kriegst du das denn alles hin?“ „Alles gut! Geht schon!“ Oder „Was sagt denn der Arzt?“ „Alles gut! Das wird schon wieder!“ Andauernd werde ich mit diesen Worten beschwichtigt.

Ich bin jedes Mal von Neuem irritiert, wenn ich diesen Satz zur Antwort bekomme. Und widerspreche auch immer wieder. Denn ich frage mich: Ist das wirklich eine realistische Einschätzung der Situation? Denn offensichtlich ist ja nicht alles gut. Oder soll damit ein ehrliches Gespräch vermieden werden? Dann würde die eigentliche Botschaft lauten: Ich kann die Situation grad nicht wirklich richtig einschätzen. Aber gut ist sie nicht.“

„Alles gut!“ Eigentlich ist dieser Satz so alt wie die Bibel. Gleich auf den ersten Seiten kommt er mehrfach vor. Im Bericht von der Erschaffung der Welt in sechs Tagen. Immer heißt es am Ende eines Schöpfungstages: „Gott sah an, was er gemacht hatte. Es war gut!“ (1. Mose 1,4) „Alles gut!“ Das ist also gewissermaßen Gottes Grund-Urteil über die Welt. Ganz am Anfang. „Alles gut!“

Doch schon wenige Seiten später ist es vorbei mit dieser Bewertung. Da schlägt der Mensch über alle Stränge. Und vieles läuft aus dem Ruder. Der Mensch trägt mit einem Mal Böses in seinem Herzen. So sehr, dass Gott die Reset-Taste drückt. Und alles zurück auf Anfang stellt. In der Erzählung von der großen Flut wird davon berichtet.

Mit der Erinnerung an den Ur-Anfang höre ich das ständige „Alles gut!“ um mich herum noch einmal ganz neu. Es klingt dann nicht mehr wie die Bewertung der aktuellen Situation. Diese beiden Worte bringen eher eine Sehnsucht zum Ausdruck. Mehr noch: Sie sind die kürzeste Form eines Gebets. Alles möge wieder so sein wie am Anfang. Am Anfang des Lebens, als von der Krankheit noch nichts zu ahnen war. Am Anfang der Liebe, als diese sich noch nicht im tagtäglichen Klein-Klein zu bewähren hatte. Am Anfang, als alles noch so einfach schien. Und noch wenig davon zu erahnen war, wie sehr das Leben Menschen auch herausfordert und nicht selten überfordert.

Seitdem höre ich barmherziger auf diesen Satz. Und ich muss ihm auch nicht mehr widersprechen. „Alles gut!“ Mit diesem Gebet auf den Lippen will ich mich ganz zuversichtlich auf das, was kommt, einlassen.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.