Impuls zur Video-Konferenz der Dekan:innen und Schuldekan:innen

27.01.2023

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was ist euer Lieblingsmöbel? Meines ist ein Sessel, den uns eine Polsterin vor einem Jahr in ein altes Sessel-Holzgestell eingepasst und aufgepolstert hat. Wunderbar, um abends zu entspannen. Und staunend zu genießen, wie in ein schon ausrangiertes Möbel neues Leben eingehaucht werden kann. Kein Wunder, habe ich doch bald mehr Zeit, um sie diesem Möbel zu widmen.

Andere Menschen haben andere Lieblingsmöbel. Für die einen ist das der Strandkorb, wie etwa für den früheren Trainer des SC Freiburg, Volker Finke. Für den Reisejournalisten Wojciech Czaja, ist es die freistehende Badewanne. Für einen Freund ist es der Barhocker. Eine andere Freundin, Musikerin, nennt ohne Zögern ihr selbstgebautes Cembalo. Ein Kollege hat mir unlängst stolz seinen höhenverstellbaren Schreibtisch als neues Lieblingsmöbel vorgeführt. 37 Prozent der Deutschen bezeichnen übrigens das Sofa als ihr Lieblingsmöbel, 20 Prozent immerhin das Bett.

Das Lieblingsmöbel Jesu ist der Runde Tisch. Zumindest symbolisch. Tische, wie wir sie heute kennen, gabs damals ja noch nicht. Aber ich komme auf diesen Gedanken, wenn ich mir den Wochenspruch für diese zu Ende gehend Woche in Erinnerung rufe. „Sie werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und Süden, die zu Tische sitzen werden im Reich Gottes.“ Ein ums andere Mal saß Jesus mit ganz unterschiedlichen Menschen am Tisch. Mit solchen, die etwas auf sich gehalten haben. Viel lieber noch mit denen, für die an anderen Tischen kaum je Platz war. Und wenn wir im Gottesdienst selber an den Runden Tisch Jesu geladen sind, könnte man manchmal noch etwas mehr von der Freude derer spüren, die Jesus damals an seinen Tisch geladen hat.

Das Lieblingsmöbel Karl Barths war das Grammophon. Er nennt es zwar leicht anders, nämlich sein Central-Möbel. Aber damit ist etwas Ähnliches gemeint. Karl Barth brauchte dieses Central-Möbel, um Mozart zu hören. „Ich habe zu bekennen“, sagt er einmal, „dass ich seit Jahren und Jahren jeden Morgen zunächst Mozart höre und mich dann erst (von der Tageszeitung nicht zu reden) der Dogmatik zuwende. Ich habe sogar zu bekennen, dass ich, wenn ich je in den Himmel kommen sollte, mich dort zunächst nach Mozart und dann erst nach Augustin und Thomas, nach Luther, Calvin und Schleiermacher erkundigen würde.»

Zumindest heute dürfen wir uns zurecht an Mozart erinnern lassen. Denn heute, am 27. Januar, ist nicht nur der Gedenktag zur Erinnerung an den Holocaust und an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau – das sollten wir nicht vergessen. Heute ist nämlich auch der 267. Geburtstag von Mozart. Er wurde am 27. Januar 1756, d.h. vor genau 267 Jahren in Salzburg geboren und schon tags darauf im Salzburger Dom auf den Namen Johannes Chrysostomos Wolfgangus Theophilus getauft.

Die beiden ersten Vornamen Johannes Chrysostomos lassen aufhorchen. Aber der 27. Januar ist eben auch sein Gedenktag – an diesem Tag wurden im Jahre 438 die Gebeine von Johannes Chrystomos nach Konstantinopel überführt.  Das Lieblingsmöbel von Johannes mit dem Goldmund war ohne Zweifel die Kanzel. Bei Luther und Calvin, denen Barth ja Mozart vorzieht, war es sicher ähnlich – oder es war der Schreibtisch, an dem ihre theologischen Traktate entstehen.

Für uns waren über bald drei Jahre Tastatur und Bildschirm notgedrungen wenn nicht das Lieblingsmöbel, dann dasjenige, an dem wir einen beträchtlichen Teil unserer Arbeits-Zeit verbracht haben – und verbringen – wie eben heute. Im Moment verschieben sich die zeitlichen Anteile wieder deutlich mehr zur Begegnung face to face. Und so auch wieder hin zum Tisch als Ort des Gesprächs. Und er muss ja gar nicht immer rund sein.

Ganz ausdrücklich möchte ich zum Schluss noch an ein häufig übersehenes Möbel erinnern, das sich durchaus auch als Lieblingsmöbel eignen könnte. Den Betschemel - getreu dem Wort von Franz von Sales: „Nimm dir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit zum Gebet, außer wenn du viel zu tun hast, dann nimm dir eine Stunde Zeit.“ Und wie ich unsere Terminkalender kenne, wäre wir alle eher auf der Liste derer zu finden, für die nach dieser Regel eine Stunde angebracht wäre.

Vielleicht liege ich am Ende mit meinem neuen Sessel gar nicht so schlecht. Schließlich ist er multifunktional zu gebrauchen. Er lädt nicht nur ein zum Entspannen. Er passt auch wunderbar an jeden runden Tisch. Und lässt mich so jedes Mal schon im Voraus etwas vom Reich Gottes kosten. Vielleicht ist es das, was ihn zu meinem Lieblingsmöbel macht.

Ich möchte schließen mit dem Gebet eines Betschemels:
Lieber Gott, nirgendwo anders hätten es die Menschen leichter, mit dir in Kontakt zu kommen als auf mir. Doch sie ziehen mit ihr Sofa und sogar ihren Schreibtischstuhl vor. Es stimmt, ich bin ein sehr schlichtes Möbel-Stück, drei kleine Bretter reichen aus, um mich zu zimmern. Aber wer sich auf mich einlässt, bekommt den Blick geweitet. Auf sich selber, auf die Nächsten in der Nähe und in der Ferne, und auf dich, Gott. Vielleicht kannst du etwas für mich tun. Ich sage auf jeden Fall schon einmal danke! Amen.

 

 

 

 

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.