Die Lieblingswohnung Gottes - ein kleiner sommerlicher Impuls

16.07.2024

In Freiburg findet derzeit wie in jedem Sommer das ZMF, das Zelt-Musik-Festival statt. Die verschiedenen Zelte stehen schon seit ein paar Wochen auf dem Festgelände. Das ganz große Zelt, in das mehrere Tausend Menschen passen. Und diverse kleinere Zelte für andere Veranstaltungen.

Zelte scheinen auf die Menschen irgendwie eine Faszination auszuüben. Denn es gäbe ja auch Hallen oder andere Orte, in denen die meisten der Konzerte auch stattfinden könnten. Aber das besondere Ambiente eines Zeltes, das ganze Drumherum mit den Möglichkeiten, sich unter freiem Himmel zu treffen, miteinander etwas zu essen und zu trinken, die Stimmung, die sich da zeigt – sie wäre in irgendeiner Konzert- oder gar Sporthalle nicht zu erzeugen. Zelte sind halt etwas Besonderes. Nicht nur als Ort für Musik und Kultur! Zelte bringen uns dem Himmel näher!

In den kommenden Wochen werden das viele Menschen auch im Urlaub wieder erleben. Zelten, das ist eine der am meisten geschätzten Weisen, Urlaub zu machen. Auch in mir steigen Erinnerungen hoch. Wie oft haben wir mit unseren Kindern Tage oder gar Wochen auf einem Campingplatz zugebracht. Den ganzen Tag spielt sich das Leben im Freien ab. Ohne viel Komfort. Alles, was ich ansonsten brauche, ist auf ein Minimum reduziert. Kein Herd, kein Kühlschrank, kein fließendes Wasser. Leben unter einfachsten Bedingungen. Freiwillig gewählt. Wer zeltet, schätzt diese Einfachheit und will sie gegen keinen Komfort eintauschen.

Und wenn man sich dann doch einige Zeit ins Zelt zurückziehen muss, weil es zwischendurch doch auch mal regnet oder weil es ordentlich frisch geworden ist, dann spürt man den Wind durch die Zeltplane hindurch. Sie bewegt sich, drückt sich durch, sammelt in kleinen Vertiefungen der Plane das Wasser an. Aber – in den meisten Fällen hoffentlich – hält das Zelt allen Wetterkapriolen stand. Auch wenn unsere privaten Zeltabenteuer selten geworden sind – Urlaub in einer Ferienwohnung oder gar in einem Hotel kann für mich mit einem Zeltaufenthalt nicht konkurrieren. Die Sehnsucht nach dem Zelt – sie ist in mir immer noch wach, vor allem jetzt, wenn im Sommer die Ferienzeit beginnt. Das Leben im Zelt – irgendwie bringt es mich dem Himmel näher. Und ich bin sicher: nicht nur mich!

Das Zelt ist nämlich auch die Lieblingswohnung Gottes. Gott wohnt in einem Zelt. Im zweiten Buch Mose wird dieses Zelt genau beschrieben. Die Materialien und Stoffe mit genauen Maßangaben. Die innere Ausstattung, Gottes Campingmöbel: der Tisch mit den Schau­broten, der Leuchter und – durch einen Vorgang abgetrennt - das eigentliche Wohnzimmer Gottes mit der Bundeslade, in der sich die  steinernen Tafeln mit den zehn Geboten befinden, darüber thronend die Cheruben, himmlische Wesen mit Flügeln. Wo wir heute das, was für uns Wert besitzt, eher im Tresor oder im Schließfach sichern wollen – oder zumindest gerne die Türen abschließen, da bevorzugt Gott den leichten, ungeschützten Lebensort eines Zeltes.

Der Ort der Gegenwart Gottes: einfach ein Zelt! Nichts anderes. Und als ihm König David ein Haus bauen will, weil er selber in einem edlen Palast wohnt, gibt ihm Gott zur Antwort: „Seit der Zeit, als ich euch aus Ägypten befreit habe, lebe ich in einem Zelt. Ich habe nie etwas anderes gebraucht. Untersteh dich, mir ein Haus zu bauen!“ Der Gott des Mose und der Gott Abrahams und Saras, er ist ein mitgehender, ein mitziehender Gott. Ein Gott bei und mitten unter den Menschen!

Salomo, Davids Sohn, baut dann dieses Haus Gottes dann trotzdem. Aber es bringt einen fundamentalen Wechsel in den Glauben der Menschen, in ihr Gottesbild und in ihre Theologie. Gottes Gegenwart wird an einen bestimmten Ort gebunden. Gott wird, wie manche sogar sagen, dingfest gemacht. Oder lässt sich dingfest machen. Und es war ein langer und ein sehr schmerzlicher Weg, der über die Zerstörung des Tempels die Theologie gewissermaßen wieder rückabwickelt oder zukunftsfähig macht. Weil es zwar Orte gibt, die es uns leichter machen, etwas von der Nähe Gottes zu spüren. Wie etwa auch unsere Kirchengebäude. Aber der Ort der Gottes Gegenwart ist, wie am Uranfang, seine ganze Schöpfung. Und unser ganzes Leben ist – aus der Perspektive Gottes betrachtet – ein Nomadenleben. Ein Pilgern durch die Zeiten. Nein, wir haben hier eben keine bleibende Stadt! Unterwegs und unter dem Himmelszelt bin ich Gott am nächsten!

Leben unterm Himmel. Leben unter dem großen Zeltdach Gottes – es macht mich frei! Frei davon, an einen Ort gebunden zu sein. Meine Heimat ist die ganze Welt, überall kann ich Schwestern und Brüder entdecken.

Leben unterm Himmel. Leben unter dem großen Zeltdach Gottes – es macht mich frei! Frei davon, mich überall in Sicherheit bringen zu müssen und Mauern und Stacheldraht hochzuziehen.

Leben unterm Himmel. Leben unter dem großen Zeltdach Gottes – es macht mich frei! Frei davon, in menschlicher Gier immer dem Götzen „Mehr für mich“ und dem Götzen „ständiges Wachstum“ nachzueilen.

Und wenn ich derzeit abends im Garten sitze und die Menschen zu Hunderten an unserem Haus vorbeieilen, um zum Zelt-Musik-Festival zu kommen, dann sind sie für mich ein Gleichnis des Lebens in der Sehnsucht, im Zelt Gott ganz nahe zu sein.

Statt eines Gebets ein kleines Bekenntnis, das Sie als Liedstrophe kennen:

Gott liebt diese Welt.
Feuerschein und Wolke
und das heilge Zelt sagen seinem Volke:
Gott ist in der Welt!

Gott ist in der Welt! Mehr braucht's nicht! Amen!

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.